Grünes Licht für Klimaschutz – nun kommt die Umsetzung, und: Regulatorische ‚Haken und Ösen‘ Aktueller Stunden
Persönlicher Bericht zur Sitzung des Hauptausschusses am 03.07.2024
Die gestrige Sitzung begann für mich mit einer kleinen Überraschung, die zugleich ein Versäumnis meinerseits aufdeckte: Ich hatte zuletzt die Informationsplattform der Kreisverwaltung (ALLRIS) am Sonntag Abend konsultiert und die zu diesem Zeitpunkt verfügbaren Daten in der Ankündigung auf Telegram (drei aufeinander folgende Posts) verwendet. Danach hatte ich keinen weiteren Blick mehr in die Webseite der Kreisverwaltung getan, was sich nun als Versäumnis herausstellte. Denn tatsächlich enthielt die Tagesordnung für die gestrige Sitzung gleich zu Beginn zwei zusätzliche Punkte:
- Ö 2.1 Antrag FDP-Fraktion auf Vertagung der Tagesordnungspunkte 6 und 6.1
- Ö 2.1.1 Antrag FDP-Fraktion auf Vertagung der Tagesordnungspunkte 6 und 6.1 – mit Begründung
Es geht um die Umsetzung des Integrierten Klimaschutzkonzepts (IKK) in dem sich Politik und Verwaltung des Kreises Pinneberg verpflichten, mit konkreten Maßnahmen auf das Ziel der Reduzierung sogenannter „klimaschädlicher Treibhausgas-Emissionen“ hinzuwirken. Vom 01.10.2021 bis zum 29.02.2024 lief das entsprechende Projekt zur „Erstellung eines Integrierten Klimaschutzkonzepts für den Kreis Pinneberg im Bereich der eigenen Zuständigkeiten“ – ALLRIS. Seither ringt man im Kreis um erste Schritte zur konkreten Ausgestaltung und der Umsetzung handfest effektiver Maßnahmen. Die Ziele sind ambitiös: Bis 2040 soll der Kreis klimaneutral sein, d. h. die Treibhausgas-Emissionen sollen bis zu diesem Zeitpunkt auf Null abgesenkt sein.
Immer wieder kam das Thema auf die Tagesordnung der einzelnen Fachausschüsse und des Kreistags-Plenums. Alle sollten mitwirken, jedes einzelne Fachressort hatte seinen Beitrag zur Reduzierung des „klimaschädlichen“ CO2 zu leisten, um die sonst sicher herannahende Katastrophe einer „Erderhitzung“ (ein von vielen Medien immer wieder gern verwendeter Terminus) abzuwenden.
Auch in der Sitzung des Hauptausschusses am 19.06.2024 stand die Umsetzung des IKK auf der Tagesordnung. Dazu hatte die FDP-Fraktion den Verweis in die Fraktionen beantragt. Sie sah sich vorerst nicht in der Lage, der Beschlussempfehlung zuzustimmen, da ihrer Meinung nach die Angaben der Verwaltung über die einzelnen Schritte zur Umsetzung des IKK in den Gesellschaften, an denen der Kreis beteiligt ist, zu unkonkret und auch über eventuelle Kosten keinerlei Angaben gemacht worden waren. – Siehe hierzu auch meinen Bericht vom 20.06.2024.
Inzwischen hatte die Verwaltung den verlangten Bericht zur Konkretisierung vorgelegt. Auf Telegram hatte ich gewisse Zweifel geäußert, ob sich die FDP-Fraktion mit den dortigen Ausführungen zufriedengeben würde. Aus meiner Sicht gab es zu einer positiven Bewertung des Berichts der Verwaltung keinen echten Grund. Zu vage erschienen mir die Formulierungen, zu schwammig und allgemein gehalten die Zielsetzungen. Echte, an erreichten Ergebnissen zuvor klar benannter Ziele in handfesten Zahlen, Daten und Fakten überprüfbare Parameter fehlten. Zu Zeiträumen, bis zu denen wie viel Tonnen CO2 in welchen Etappen eingespart werden und aufgrund welcher konkreter Maßnahmen (z. B. Umstellung der Busflotte im ÖPNV auf Elektroantrieb spart bis zum Jahr X soundso viel Tonnen CO2) gab es keinerlei Aussagen, auch die hierdurch entstehenden Kosten konnten offenbar nicht beziffert oder auch nur annähernd kalkuliert werden.
Liest man diesen „Fachbeitrag Beteiligungen“ (eine hübsch bebilderte PDF-Datei – „Vorlage-Sammeldokument“), stehen dort im Wesentlichen dieselben unverbindlichen und vagen Formulierungen, die man schon in der Beschlussvorlage der vergangenen Sitzung lesen konnte, und aufgrund derer die FDP-Fraktion den Verweis zur Beratung in die Fraktionen erbeten hatte. Übrigens wollte man von Seiten der FDP-Fraktion nicht eher der Beschlussempfehlung der Verwaltung zustimmen, bis diese endlich harte Fakten und Zahlen (vor allem im Hinblick auf erwartbare Kosten) vorgelegt habe.
Auf Telegram hatte ich gefragt: „Wird die FDP-Fraktion das Vorgelegte als ausreichend erachten und der Beschlussempfehlung zustimmen? Oder wird es abermals vertagt?“
Um es vorwegzunehmen: Die Antwort auf beide Fragen lautet: nein.
Der von der Verwaltung vorgelegte Bericht und ihre Beschlussempfehlung waren aus Sicht der FDP-Fraktion nicht ausreichend, um ihnen in der gestrigen Sitzung zugestimmt haben zu können.
Was die FDP-Fraktion als Begründung ihres Antrags auf erneute Vertagung des entsprechenden Tagesordnungspunktes für die gestrige Sitzung des Hauptausschusses nennt, deckt sich in einigen wesentlichen Punkten mit meiner obig geäußerten Kritik:
Ein Grund für die das Absetzten des Top ist, dass wir in der Beratung zum IKK mitgenommen haben, dass die Fachausschüsse, die Umsetzung der IKK-Maßnahmen diskutieren und konkretisieren. Genau dem wollen wir entsprechen. Unser Beitrag hier soll dazu beitragen, offenen Fragen zu klären und sicherzustellen, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen zum Beispiel SMART (spezifisch, messbar, attraktiv, realistisch und terminiert) sind.
Man sieht weiteren Diskussionsbedarf auch mit der Verwaltung, da „die gegebenen Antworten Unklarheiten und offene Fragen hinterlassen haben“. Hierfür zwei Beispiele:
- Antwort auf Frage 1: Welchen Aufwand hätten die Gesellschaften für die Erstellung eines Klimaübergangsplanes?
- Die Antwort auf diese Frage enthielt keine Informationen zu den geschätzten Kosten oder zum Umfang der erforderlichen Arbeiten. Es wurden keine konkreten Beispiele oder Referenzen genannt, die eine Kostenschätzung ermöglichen könnten. […]
- Antwort zu Frage 2: Wie wird eine jährliche Nachhaltigkeitsberichterstattung sichergestellt und welche Maßnahmen sollen ergriffen werden, falls die Berichterstattung nicht erfolgt?
- Die Antwort enthält allgemeine Informationen über die gesetzlichen Anforderungen und die Umsetzung der EU-Richtlinie, gibt aber keine spezifischen Maßnahmen an, die ergriffen werden sollen, falls die Berichterstattung nicht erfolgt. Es fehlen uns konkrete Details darüber, wie die Umsetzung und Einhaltung der Berichterstattung in der Praxis überwacht und sichergestellt wird. – Quelle: ALLRIS
Gestern jedoch scheiterte die FDP-Fraktion mit ihrem Antrag auf erneute Vertagung. Die anderen Fraktionen waren der Auffassung, nun oft genug darüber diskutiert zu haben und stimmten gegen den Antrag der FDP-Fraktion.
Die entsprechenden Tagesordnungspunkte Ö 6 und 6.1 wurden demgemäß, wie in der Tagesordnung vorgesehen, aufgerufen und abgestimmt. Die Beschlussempfehlung der Verwaltung wurde bei 2 Enthaltungen angenommen. Damit sind die Vertreter in den Gesellschaften, an denen der Kreis beteiligt ist oder die in seinem Auftrag tätig sind, verpflichtet, in den Aufsichtsräten darauf hinzuwirken, die von Land und Kreis angestrebten Klimaschutzziele in der Reduzierung der Treibhausgasemissionen zeitnah anzuvisieren. Wie das zu geschehen hat, deutet die Beschlussvorlage in einigen Punkten an. Diese hier aufzulisten, würde den Rahmen dieses Berichts über die gestrige Sitzung sprengen, daher verweise ich auf den genauen Wortlaut der Beschlussempfehlung und den anschließenden Sachbericht im ALLRIS.
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Nach der Absetzung der Tagesordnungspunkte Ö 7, Planung und Errichtung von gebäudebezogenen Photovoltaikanlagen an mehreren Liegenschaften und Ö 9, Haushalt 2025/2026; Maßnahmenbeschluss: Neubau einer offenen Unterstellhalle an der FTZ (ALLRIS) sowie der Annahme der Beschlussempfehlungen zu Ö 5, Neufassung der Organisationssatzung Zentrale Stelle Rettungsdienst Anstalt öffentlichen Rechts (ZSR AöR) und Ö 8, Freigabe von Mitteln für mietereigene Einbauten in den Räumlichkeiten in der Kurt- Wagener-Straße 13, gab es noch den Antrag der AfD-Fraktion, TOP Ö 10 ff., Änderung der Geschäftsordnung, ebenfalls abzusetzen.
Der Antrag wurde abgelehnt. Konkret geht es bei der Änderung der Geschäftsordnung hauptsächlich um Änderungen über Art und Ablauf der Aktuellen Stunde in den Sitzungen des Kreistags-Plenums. Hierzu gab es einen gemeinsamen Antrag von CDU, SPD und Grünen. Besonders hinweisen möchte ich auf die Seiten 6 und 7 des PDF-Dokuments „Änderung Geschäftsordnung Vorschläge gemeinsamer Antrag CDU,SPD, Grüne“.
Burghard Schalhorn sagte, es erschließe sich ihm nicht, wozu die Änderung der Geschäftsordnung nötig sei. Er und seine Fraktion haben das Gefühl, „dass hier Rechte beschnitten werden sollen“. Daher „von uns ein klares Nein!“
Dem entgegnete die Fraktion der Grünen, eine Aktuelle Stunde sei „kein Debattierclub“, denn für gründliche Diskussionen seien die Debatten im Kreistag zu den verschiedenen Themen da. In der Aktuellen Stunde gebe es lediglich die Statements der Parteien.
Helmuth Ahrens, Kreispräsident und Mitglied des Hauptausschusses, erläuterte, nach Kommunalrecht könne man im Kreistag Anträge stellen, über die dann abzustimmen sei. „Wir leisten uns hier in Pinneberg den ‚Luxus‘ der Aktuellen Stunde“, aber es gebe darauf kein verbrieftes Anrecht. Andere Kreistage in SH hätten keine Aktuellen Stunden. In Pinneberg habe man sie und wolle sie auch behalten. Jedoch sei in letzter Zeit ein „gewisser Wildwuchs“ entstanden und man wolle die Aktuellen Stunden wieder etwas mehr versachlichen. Mancher habe sich in jüngster Vergangenheit in der Aktuelle Stunde „beweisen“ und darstellen wollen, „wie gut er doch sei“.
Insgesamt ging es darum, festzuhalten, wofür eine Aktuelle Stunde da sei, nämlich für Fragen der Selbstverwaltung des Kreises. Sie solle daher auch örtlich bezogen bleiben, die Sacharbeit ergänzen und den offenen Austausch zu aktuellen Themen ermöglichen, ohne zuvor festgelegt zu sein.
Ahrens bemühte sich sehr, zu betonen, dass die Änderungen nicht gegen die AfD gerichtet seien. Man behandele sie eher bevorzugt, damit ihre Rechte auf jeden Fall gewahrt bleiben. Dennoch müsse das Präsidium hin und wieder sagen, was gehe und was nicht, und dies gelte für alle Fraktionen im Kreistag.
Karin Kunkel, Kreistagsabgeordnete der Linken, fühlte sich als Fraktionslose ohne Rederecht in der Aktuellen Stunde benachteiligt.
Dem entgegnete der Kreispräsident, wenn er beiden Abgeordneten der Linken (neben Karin Kunkel noch René König) die jeweils gleichen Rechte zuerkenne, wie sie für die Fraktionen in der Geschäftsordnung festgelegt seien, liefe dies auf eine anteilsmäßige Benachteiligung der Abgeordneten der anderen Fraktionen hinaus. Denn diese erhielten Rederecht für insgesamt 10 Minuten pro Fraktion, können dies aber auf zwei Redner zu je 5 Minuten aufteilen. Berücksichtige man aber die Größe der anderen Fraktionen (CDU – 24 Sitze, SPD – 14, Grüne – 14, FDP – 6, AfD – 6) und deren begrenzte Redezeit (jeweils 10 Minuten oder fünf Minuten für jeden der beiden Redner), so ergäbe sich aus dem Rederecht für die beiden Abgeordneten der Linken ohne Fraktionsstatus und wenn beide für sich je 5 Minuten beanspruchten, ein Ungleichgewicht. Dies wiederum wäre eine Benachteiligung der Abgeordneten der großen Fraktionen.
Ich hatte den Eindruck, dass diese etwas komplizierte Argumentation Frau Kunkel nicht wirklich restlos überzeugte. Sie ließ es nach diesen Ausführungen aber auf sich bewenden. Es war offensichtlich, dass die große Mehrheit der etablierten Parteien in ihren Fraktionen nicht willens war, an den durch sie etablierten Regelungen auch nur ein Jota zu ändern.
Es kam wie vorherzusehen: Der gemeinsame Antrag von CDU, SPD und Grünen zur Änderung der Geschäftsordnung wurde mit 11 Stimmen, bei 1 Enthaltung und 1 Nein-Stimme angenommen.
Und damit endete der für die interessierten Besucher zugängliche, öffentliche Teil der gestrigen Sitzung des Hauptausschusses.
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