„Linke Tasche – rechte Tasche“ oder tatsächliche Einsparungen im Kreis Pinneberg?

Persönlicher Bericht zur Sitzung des Hauptausschusses am 18.09.2024

Institutionen haben, sind sie erst einmal entstanden, das Bestreben, ihre Existenz abzusichern und auf Dauer zu erhalten. Ihre Gründer schufen sie aus guten Motiven und zu einem nachvollziehbaren Zweck.

Diese grundlegende Feststellung trifft auf die Institution einer Kreisverwaltung ebenso zu wie auf das ihr vorgeschaltete, politische Aufsichtsgremium, den Kreistag. Dieser wiederum beaufsichtigt im Kreis Pinneberg in Person des Aufsichtsratsvorsitzenden die Wirtschaftsförderungs- und Entwicklungsgesellschaft mbH des Kreises Pinneberg (WEP).

Die obige Redewendung gebrauchte der zuvor erwähnte Aufsichtsratsvorsitzende, Mitglied des Kreistags und der CDU-Fraktion sowie Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses, Torsten Hauwetter, in der Sitzung des Hauptausschusses vom vergangenen Mittwoch.

Gegenwärtig laufen im Kreistag wieder die Beratungen zum Haushalt, und man hat erneut die Devise des Sparens ausgegeben. Niemandem gefällt das, wie Kreispräsident und Mitglied des Hauptausschusses, Helmuth Ahrens, bemerkte. Jeder würde behaupten, die eigene Kuh, die geschlachtet werden soll, gebe die meiste Milch, so Ahrens.

Dies in Erwiderung zu Hauwetter während der Debatte um die Kürzungen der Fördergelder für die WEP (TOP Ö 7.2), deren Aufsichtsratsvorsitzender Hauwetter ja ist. Verständlich, dass er für den Erhalt und die Weiterzahlung der Gelder eintrat und die Umbaumaßnahmen – personeller wie struktureller Art – seiner Institution, die keinen Spielraum für Einsparungen duldeten, vehement verteidigte. Hierbei ‚rechnete‘ er vor, dass die angestrebten Einsparungen – in Rede steht die Gesamtsumme von 450.000 Euro für die Haushaltsjahre 2025 und 2026 – in Wahrheit ja nicht wirklich eingespart würden. Denn tatsächlich kämen die der WEP vorenthaltenen Gelder am Ende ja der Kreiskasse zugute, was eben dem Prinzip „linke Tasche – rechte Tasche“ entspreche.

Ahrens widersprach in diesem Punkt nicht, als er zugab, der Kreis würde die bei der WEP gekürzten Gelder „gut gebrauchen“ können. Zudem stelle dies die WEP jetzt vor die Aufgabe, effektiver zu wirtschaften und die vorhandenen Mittel zielgerichteter einzusetzen.

Hauwetter hatte zu Beginn seiner Ausführungen auch zu bedenken gegeben, dass Gelder, die jetzt eingespart würden, daher der WEP nicht zur Verfügung stünden, dennoch benötigt würden und ggf. durch die Aufnahme von Krediten finanziert werden müssten. Am Ende werde dadurch nichts gespart, da die Kredite plus Zinsen zurückzuzahlen seien.

Landrätin Elfi Heesch sagte, man habe sich diese Entscheidung nicht leicht gemacht, aber am Ende aller Beratungen und Überlegungen halte man die Kürzungen für vertretbar, nicht zuletzt auch, weil der anvisierte Grund und Boden, in den die WEP investieren wolle, schlicht nicht vorhanden sei.

Hans-Peter Stahl, Vorsitzender der SPD-Fraktion, merkte an, Kürzungen in den Haushaltskonsolidierungen seien zu hinterfragen, so leicht seien die meist strukturellen Probleme nicht zu lösen. Warum müsse ausgerechnet bei der WEP gespart werden. „Können wir uns das erlauben?“ Heute könne man dies alles jedoch nicht abschließend beraten, daher schlug er eine 2. Lesung dieses Haushaltspostens vor.

Burghard Schalhorn (AfD-Fraktion) merkte kurz an, man müsse sparen, solle aber bei der Wirtschaft sehr vorsichtig sein, schließlich gehe es auch um die daran hängenden Arbeitsplätze, an deren Erhalt ja auch Wohlstand geknüpft sei.

So wurden die Argumente für und wider entsprechend der Funktion der Diskutanten in dieser Sache hin und her ausgetauscht – am Ende blieb die Vertagung auf die nächste Sitzung des Hauptausschusses. Man lehnt sich sicher nicht zu sehr mit der Prognose aus dem Fenster, dass es am Ende bei den beratenen und anvisierten Einsparungen für die Haushalte 2025 und 2026 bleiben wird und dass die WEP die Kürzungen ihres Etats in Höhe von 450.000 Euro wird hinnehmen und verkraften müssen.

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Kommentar:

Laut Aussage der Kreisverwaltungs-Webseite (ALLRIS) ist „der Geschäftsbereich […] auch mit der Förderung defizitär“. Und weiter die Kreisbehörde: „Die Durchführung einer aufgabenkritischen Betrachtung fällt in die Zuständigkeit der Geschäftsführung und Aufsichtsrat, da es sich hier um eine Fragestellung der operativen Geschäftsführung handelt. Ggf. sollte / könnte der Beschluss um eine entsprechende Gesellschafterweisung ergänzt werden.“

Diese Aussagen beinhalten in Bezug auf eine eventuell kritische Betrachtung der allgegenwärtig zu beobachtenden engen Verzahnung von Politik und Wirtschaft eine gewisse Brisanz. Aufsichtsratsvorsitzender der WEP mbH ist, wie oben bereits erwähnt, der Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses und CDU-Kreistagsabgeordnete Torsten Hauwetter. Dieser hat entsprechend seiner Funktion für die Weiterzahlung der Fördergelder gekämpft.

Zugleich ist er Mitglied des Aufsichtsgremiums Kreistag, das über die Kürzungen staatlicher Fördergelder zu beraten und zu entscheiden hat – ein veritabler Interessenkonflikt, den ich wegen der oben erwähnten engen Verzahnung von Politik und Wirtschaft für problematisch halte.

Schließlich:

Bei Durchsicht der Webseite der WEP stellte sich mir die Frage, welche der dort beschriebenen Angebote an werdende Unternehmer nicht ebenso gut von der für den Arbeitsmarkt zuständigen staatlichen Institution der Agentur für Arbeit gemacht werden könnten oder sollten.

Ist die Existenz der WEP mbH möglicherweise ein weiterer Beleg für die unnötige Kosten verursachende Verschränkung von Politik und Wirtschaft in den berühmten und zuweilen kritisierten „Öffentlich-privaten Partnerschaften (Public-Private-Partnerships PPP) zulasten der öffentlichen Haushalte und zugunsten der privaten Betreiber der Wirtschaftsförderungs-und Entwicklungsgesellschaft (WEP mbH)?

Diese Frage kann ein Kreistag nicht beantworten, hierzu verfügt er nicht die erforderliche Gesetzgebungskompetenz. Solch große Fragen können allein in der tatsächlichen Legislative (Bundestag und Landtage) beraten und entschieden werden. Bei der gegenwärtigen politischen Farbenlage scheint mir eine durchgreifende Änderung dieses bedenklichen Zustands nicht in Sicht zu sein.

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Dass die Kreisverwaltung derzeit 44 Nachwuchskräfte ausbildet (TOP Ö 8) und darüber hinaus für das Jahr 2025 9 und für 2026 11 weitere Ausbildungsstellen geschaffen werden sollen, wurde von den Abgeordneten wohlwollend zur Kenntnis genommen.

Die Nachwuchskräfte sollen helfen, dem allgemeinen Fachkräftemangel entgegenzuwirken, dem auch die Kreisverwaltung besonders in den nächsten Jahren ausgesetzt wäre, da bis 2034 415 Beschäftigte altersbedingt die Kreisverwaltung verlassen werden, das sind 35% ihrer Beschäftigten.

Die Abgeordneten zeigten sich erfreut, dass man den Nachwuchs hausintern ausbildet, anstatt diese Fachkräfte auf dem Arbeitsmarkt suchen zu müssen.

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Schließlich gab es unter Tagesordnungspunkt Ö 11.5, „Sonstige Mitteilungen und Anfragen“, noch einen mündlichen Bericht der dafür zuständigen Referenten der Kreisverkehrsgesellschaft in Pinneberg (KViP) über den Busunfall in Elmshorn vom 5. September. Ein auf Leerfahrt befindlicher Elektrobus war gegen die Bahnunterführung an der Geschwister-Scholl-Straße gekracht und im Tunneleingang steckengeblieben. Der auf dem Dach befindliche Akku fing sofort Feuer mit meterhoch schlagenden Flammen in Richtung der darüber liegenden Bahngleise. Dadurch wurde der Bahnverkehr zwischen Schleswig-Holstein und Hamburg bis Dienstag früh (10. Sept.) eingestellt.

Wie konnte es soweit kommen?

Nach Auskunft der Referenten gibt es für die Umsetzung des Busses der Linie 489 Wedel – Elmshorn Bf. zur Waldorf-Schule auf der Strecke zum ZOB verschiedene Wege. Unglücklicherweise hatte sich der Fahrer des E-Busses für den zu niedrigen Tunnel der Bahnunterführung an der Geschwister-Scholl-Straße entschieden. Kurz vor Einfahrt in den Tunnel habe der Fahrer noch überlegt, ob er hineinfahren solle oder nicht und es dann getan. Das Ende dieser menschlichen Fehlentscheidung ist bekannt.

Es war menschliches Versagen, so einer der Referenten. Der Fahrer hatte die Höhe seines E-Busses falsch eingeschätzt. Im Moment des Anhaltens kurz vor Einfahrt in den Tunnel hätte der Fahrer den Knopf zur Leitstelle drücken müssen. Von dort hätte man ihn vor der Durchfahrt gewarnt. Und eine Bremsung wäre möglich gewesen – der Bus fuhr mit 10 km/h.

Versicherungstechnisch lag der Fall eindeutig: Der Rückversicherer der KViP, der KSA wird alle Regressforderungen übernehmen.

Die Bahn AG signalisierte 2 Tage später auch gleich ihre Absicht, Regressforderungen zu erheben. Dennoch komme man wirtschaftlich entspannt „da durch“.

Zeitungsartikel berichteten über die Vernehmungsunfähigkeit des 46jährigen Fahrers gleich nach dem Unfall, aber inzwischen konnte er der Geschäftsführung offenbar den Ablauf des Geschehens schildern.

Mit einem älteren MAN-Bus wäre auch nichts passiert, so die Referenten, aber die E-Busse sind zu hoch für die Unterführung. Diese misst 2,80 m Höhe, die E-Busse sind 3,30 m hoch. Für diesen Streckenabschnitt seien ab sofort Leerfahrten mit den E-Bussen untersagt. Auch gibt es nun einen Aufkleber auf jedem Bus, der besagt, ob dieser Bus durch den Tunnel fahren darf.

Es wurde außerdem gefragt, wieso dann überhaupt diese hohen Busse angeschafft worden waren. Antwort: Es gibt keine niedrigeren E-Busse, da bei allen Modellen der Akku auf das Dach montiert sei. Auch moderne Dieselbusse seien kaum niedriger.

Nur die alten MAN-Fahrzeuge passten problemlos durch die Unterführung, allerdings hielten sie höchsten noch 7 Jahre.

Dass die Unterführung eines Tages an die neuen Gegebenheiten angepasst werden müsse, war den Beteiligten klar, jedoch wollte sich die KViP hier nicht „einmischen“, da dies allein Sache und Angelegenheit der Bahn AG sei.

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Bleibt noch zu erwähnen, dass an dieser Stelle der öffentliche Teil der Sitzung zu Ende war, und die Gäste nun den Raum verlassen mussten.

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