Schöne, neue, saubere, ‚grüne‘ Welt

Persönlicher Bericht zur Sitzung des Ausschusses für Wirtschaft, Regionalentwicklung und Verkehr vom 09.07.2024

Der Umbau der Welt hat volle Fahrt aufgenommen. Mag es hier und da auch logische Fehlannahmen und Widersprüche in Zielsetzung und Konzeption geben, es gilt der Leitspruch: „Vorwärts immer, rückwärts nimmer.“

Davon war auch die Sitzung des Wirtschaftsausschusses am vergangenen Dienstag geprägt. Der Schwerpunkt lag beim Abschlussbericht zum Elektromobilitätskonzept, den Marco Seiler von der GP JOULE Connect GmbH vortrug.

Mit der Umstellung seines Fuhrparks auf Elektrofahrzeuge und den Ausbau der Ladeinfrastruktur in den Städten und Gemeinden will der Kreis Pinneberg seinen Beitrag zur Rettung des Weltklimas leisten.

Man hat Großes vor:

„Eine Umsetzung des Elektromobilitätskonzeptes kann zu einer deutlichen Reduzierung der CO2-Emissionen im Kreis Pinneberg beitragen. Durch die dargelegte Fuhrparkelektrifizierung wird unter den gesetzten Systemgrenzen eine CO2-Einsparung von ca. 433,32 Tonnen CO2-Äquivalente über eine Nutzungsdauer von acht Jahren erreicht.“

Im vorliegenden Konzept hat man diese Zahlen im Einzelnen genau berechnet:

Seiler zeichnete insgesamt ein optimistisches Bild für das Erreichen der ehrgeizigen Ziele. Bis 2032 könne die Umstellung auf Elektromobilität einen Anteil von ca. 2/3 der kommunalen Fuhrparks erreichen. Die vorgestellten Konzepte zur Umsetzung der Umstellung sind individuell auf die einzelnen infrage kommenden Städte und Gemeinden mit Potenzial zum Ausbau einer Ladeinfrastruktur zugeschnitten. Wo genau welche Ladesäulen mit welcher Kapazität am besten aufzustellen wären, wie die einzelnen Fuhrparks nach und nach ausgetauscht werden können (Neukauf oder Leasing von E-Fahrzeugen), in welcher Reihenfolge (zunächst PKWs, später auch Nutzfahrzeuge) und ob bei Letzteren die Nutzung von Wasserstoffantrieben infrage kommt und einiges mehr an Tipps und konkreten Handlungsempfehlungen enthält das vorgelegte Konzept.

Seiler machte seine Sache nicht zuletzt auch im Hinblick auf die Interessen seines Unternehmens sehr gut. Er zeigte sich zuversichtlich, und sprach damit den Abgeordneten von CDU, SPD, FDP, Grünen und der Linken aus dem Herzen, dass das vorgelegte Konzept vom Kreis angenommen und in den kommenden Jahren Schritt für Schritt umgesetzt wird.

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Es geht um nichts Geringeres als den fundamentalen Umbau aller Bereiche hin zu einer klimaneutralen Art des Lebens und Wirtschaftens. Es gilt, das Zeitalter der fossilen Energieträger zu beenden und die schöne, neue, saubere Welt ohne Abgase aufzubauen.

Dem Konzept liegen jedoch aus meiner Sicht mindestens zwei Fehler oder Ungereimtheiten zugrunde:

1. Man erhofft und berechnet bei der Umsetzung des Elektromobilitätskonzeptes eine Reduzierung der CO2-Emissionen von ca. 433,32 Tonnen in 8 Jahren.

Allerdings erfolgt die Berechnung unter der Prämisse, dass die für die Elektromobilität gelieferte Energie ausschließlich aus erneuerbaren Quellen kommt. Nur dann werden die CO2-Emissionen das angegebene Quorum der Reduktion erreichen können.

Für die bisher angeschafften 33 E-Fahrzeuge der Kreisverwaltung besteht eine Ladeinfrastruktur die aus eigenerzeugtem Solarstrom versorgt und durch einen Batteriespeicher bei fehlendem Sonnenlicht oder Stromausfall abgesichert ist. So weit, so gut.

Bei insgesamt 3.833 zugelassenen batterieelektrischen Fahrzeugen im Kreis Pinneberg sowie 2.717 Plug-In Hybriden und weiteren ungezählten E-Fahrzeugen auf der Durchreise oder im Kurzaufenthalt, die alle auch ‚betankt‘ sein wollen, werden die vorhandenen Solarpaneele des Kreises sicher nicht ausreichen. Für die bestehenden 318 Ladepunkte (Stand 2023) im Kreis und deren weiteren Ausbau wird der erforderliche Strom auch aus anderen Energiequellen kommen müssen als den erneuerbaren.

Und hier liegt der Hase im Pfeffer. Verlässt die Beschaffung des Stroms zum Betrieb der E-Fahrzeuge den Bereich der erneuerbaren Energien, gerät die optimistische Berechnung einer erreichbaren CO2-Neutralität in Schieflage. Es ist allgemein bekannt, dass die Ampel-Koalition die letzten Kraftwerke mit klimaneutraler Stromerzeugung allein aufgrund ihres Energieträgers (Uran) vom Netz genommen und abgeschaltet hat.

Da aber weder Sonne noch Wind verlässlich rund um die Uhr, an 7 Tagen der Woche und 365 Tagen des Jahres zur Verfügung stehen, muss der stets benötigte Strom eines Industrielandes wie Deutschland aus anderen Quellen kommen. Atomstrom ist es nicht, was also bleibt beim gegenwärtigen Stand der technologischen Entwicklung? Gas und Kohle. Aber auch hier hatte man aus Gründen des ‚Klimaschutzes‘ fatale Schritte eingeleitet bzw. die Beschaffung preiswerten Gases aus dem benachbarten Russland mit einer gewissen ‚klammheimlichen Freude‘ sabotieren lassen.

Nun beschafft man 5 mal so teures Fracking-Gas aus den USA oder kauft Gas in Indien zu überhöhten Preisen, das bei aller Ironie auch noch aus Russland stammt.

Die bestehenden Kraftwerke, die mit diesen Energieträgern betankt Strom erzeugen, sichern unter erschwerten Bedingungen (Sensibilität des störanfälligen Stromnetzes) die Stromversorgung in unserem Land.

Ob unter diesen Begleitumständen noch von der Erreichung der Klimaneutralität durch tatsächliche CO2-Einsparung und Drosselung bis auf null bis zum Jahr 2040 die Rede sein kann, geschweige denn, dass sie realisierbar ist, wage ich zu bezweifeln.

2. Die optimistischen Prognosen bis zum Jahr 2032 den Fuhrpark des Kreises Pinneberg und seiner Kommunen auf 2/3 E-Fahrzeuge umgerüstet zu haben, lässt wesentliche Tatsachen außer Acht.

Zum einen weiß niemand, was in 8 Jahren sein wird. Vor allem auf politischer Bühne kann viel passieren, ganze Revolutionen können von heute auf morgen ausbrechen, Kriege aufkommen oder beendet werden – unvorhersehbare Ereignisse lauern jederzeit und überall.

Zum anderen ist Macht in einer Demokratie zeitlich begrenzt. Niemand kann vorhersehen, ob eine andere Regierung die Ideen der gegenwärtig Handelnden teilt, deren Prämissen als ‚gottgegeben‘ erachtet oder nicht am Ende zu ganz anderen (‚wissenschaftlichen‘) Grundannahmen und deren Schlussfolgerungen gelangt. In diesem Falle würde sich erwartbar auch deren Politik von der heutigen unterscheiden.

Dass man für die Zukunft plant, weil man die Dinge nicht einfach sich selbst überlassen kann, ist ein Zeichen von Verantwortungsgefühl. Andererseits löste die Selbstsicherheit des vorgestern Vorgetragenen im Hinblick auf die sicher geglaubten langen Zeitachsen gleichbleibender ‚grüner‘ Klimaschutzpolitik in mir ein Gefühl der Beklemmung aus.

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Bezüglich des Ausbaus der A 20 und der zu diesem Zweck gestarteten Werbekampagne von acht Industrie- und Handelskammern entlang der künftigen Strecke der A 20 haben sich die Fraktionen der CDU, SPD, FDP, und der AfD positiv über den Beitritt zu der Kampagne geäußert. Für sie alle steht vor allem die wirtschaftsfördernde Wirkung der A 20 auf die Region im Mittelpunkt.

Die Grünen hatten sich dagegen positioniert. Die Argumente sind indes nicht neu oder überraschend. In einer flammenden Philippika sprach man von der Schuld des Menschen, durch sein Wirtschaften und die Schaffung von Wohlstand den Planeten aus dem Gleichgewicht gebracht zu haben und weiter zu bringen, „wenn wir so weiter machen“. Es komme darauf an, auch die Folgen seines Tuns zu berücksichtigen und die Lebensgrundlagen auch für künftige Generationen lebenswert zu erhalten. Zwar sei es aus Sicht der IHKs verständlich, dass sie für den Bau der A 20 plädierten – hier betätigten sie sich ja eben auch als Lobbyisten, woraus ihnen kein Vorwurf zu machen sei – aber man trage Verantwortung nicht nur für Wirtschaftswachstum, sondern für alle Aspekte unseres Lebens auf diesem Planeten. Es sei zu bezweifeln, ob der Wunsch, über die neue Autobahn schneller an die ersehnten Urlaubsorte zu gelangen, in dieser Zeit noch angemessen sei.

Die anderen Abgeordneten sprachen sich wohlwollend gegenüber der Kampagne aus. Helmuth Jahnke (SPD) äußerte schließlich den Wunsch, es persönlich noch erleben zu wollen, dass die A 20 fertig wird.

Dann entstand noch ein Streit der Grünen mit dem Referenten Dr. Paul Raab von der IHK über das korrekte Lesen von Studien. Es gebe da eine Studie, die das A-20-Projekt als das in der Umwelt-Bilanz und dem Vergleich mit anderen Bauprojekten „schlechteste“ ausgewertet habe. Moore seien CO2-Sammelbecken, da könnten Ausgleichsflächen für die durch den Straßenbau verlorenen und versiegelten Flächen nicht mithalten. Außerdem sei zu fragen, ob nicht die Schiene viel stärker ausgebaut werden müsse. Auch erhöhe der vermehrte Straßenbau das Verkehrsaufkommen.

Dem entgegnete Raab, er kenne diese Studie und wies auf den Umstand hin, dass diese mit dem größten Straßenbauprojekt in Deutschland (A 20) eröffnet worden sei und danach die anderen, weniger umfangreichen als Referenz herangezogen worden seien. Daher ließen sich die Ergebnisse so nicht vergleichen. Außerdem könne er die Kausalität aus erhöhtem Straßenbau und daraus folgendem erhöhtem Verkehrsaufkommen nicht sehen. Der Verkehr habe in den letzten Jahren kontinuierlich zugenommen. Und um die Moore weitgehend zu schützen, habe sich das „Überschüttverfahren“ bereits bewährt.

Als ein wesentliches Argument für den Bau der A 20 wurde die Anbindung an das Baltikum, nach Polen und Skandinavien erwähnt. Skandinavien warte z. B. auf die dann kürzeste Anbindung zum Hafen Rotterdam.

Schließlich versuchte es die Fraktion der Grünen mit dem Argument, man dürfe bei der Auswertung aller sachlichen Argumente nicht die wissenschaftlichen Studien unberücksichtigt lassen.

Richtig, entgegnete Raab, dann solle man aber bitte auch die gegenteilig lautenden Studien mit einbeziehen.

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Alles Argumentieren half schließlich nichts. Die Beschlussvorlage wurde angenommen.

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Die folgenden Tagesordnungspunkte erwähne ich stichpunktartig und gebe hauptsächlich wieder, wie mit den von der Verwaltung vorgelegten Mitteilungen und Beschlussvorlagen verfahren wurde.

  • Ö 7, Positionspapier Mobilität der RK (Regionale Kooperation) WestküsteBeschlussvorlage angenommen.
  • Ö 8, RNVP-Umsetzung: Maßnahmen zum Fahrplanwechsel 12/2024. Hier ging es um eine Taktverdichtung der Buslinie 185 im Abschnitt Elmshorn – Pinneberg in Verbindung mit der Verlängerung der Linie X95, Hamburg/Airport – Pinneberg nach Elmshorn. – Beschlussvorlage (Variante A) angenommen.
  • Ö 9, Haushalt 2025/2026; FD Straßenbau und Verkehrssicherheit; Maßnahmenbeschluss: Planung und Errichtung von Erdtanks auf dem Gelände der Straßenmeisterei in Moorrege für den FD 25 Straßenbau und Verkehrssicherheit und den FD 22 Katastrophenschutz. Hierfür werden Gesamtkosten in Höhe von 800.000 Euro veranschlagt. Bis zu 90.000 Liter Diesel Kraftstoff sollen so den Katastrophenfall für die Einsatzfahrzeuge absichern helfen. – Beschlussvorlage angenommen.
  • Ö 10, Neubau der Brücke über die Strecke der Deutschen Bahn (DB) im Zuge der K23 (BW 19), Einleitung des erforderlichen Planfeststellungsverfahrens. Dieses Projekt soll bis auf Weiteres zurückgestellt, das vorhandene bisherige Bauwerk durch Instandhaltungsarbeiten funktionstüchtig gehalten werden. – Beschlussvorlage angenommen.
  • Ö 11, Nachtragsplanung: Sanierung des Rad- und Gehweges an der K 13. Für die Sanierung des Rad- und Gehweges an der K13 zwischen Appen und Appen-Etz werden weitere 245.800 Euro zur Verfügung gestellt. – Beschlussvorlage angenommen.
  • Ö 12, Haushalt 2025/2026: Erhöhung der Unterhaltungspauschalen für Infrastruktur. Diese sollen erhöht werden und zwar für Kreisstraßen und Radwege von 600.000 auf 850.000 € und für Brückenbauwerke von 350.000 auf 400.000 €. – Der Beschlussvorlage wurde nicht zugestimmt, da die SPD den Antrag auf Vertagung des TOPs gestellt hatte. Dieser Antrag wurde angenommen.
  • Ö 13, Haushalt 2025/2026; hier: FD Straßenbau und Verkehrssicherheit; Maßnahmenbeschluss: Grundhafte Sanierung der Kreisstraße 06 zwischen Tangstedt und Hasloh. werden zusätzliche Mittel in Höhe von 3,237 Mio. € veranschlagt. Wolfgang Rauchfuß vom Ingenieur-Büro Lenk + Rauchfuß GmbH informierte die Anwesenden über den Stand der Planungen mit Grafiken, Karten und Bildern. Es entspann sich eine Diskussion über 55 zu fällende Bäume im Zuge der Baumaßnahmen. Diese Bäume stehen der teilweisen Verbreiterung der Fahrbahn von 5,50 m auf 6,50 m im Wege, sollen hernach aber durch die Neuanpflanzung von 150 Bäumen kompensiert werden.
    Dies und noch einige Details mehr über Wasserführung unterhalb der Straße und anzubringende Leitplanken konnte man in der Sitzung erfahren.
    Die Beschlussvorlage wurde schließlich angenommen.
  • Ö 14.1, Haushalt 2025/2026: Förderung des Radverkehrs. Seit 2020 fördert der Kreis den Ausbau der Radverkehrsinfrastruktur der Kommunen des Kreises Pinneberg mit jährlich 1 Million Euro. Nun hat die Verwaltung in der AG Haushaltskonsolidierung vom 12.06.2024 empfohlen, die Fördermittel für die Jahre 2025/2026 auszusetzen (hier die Mitteilung). Die Förderung ist eine freiwillige Maßnahme und die entsprechende Aufnahme in den Haushalt 2025/2026 muss von den Fraktionen beantragt werden. Geschieht dies nicht, entfällt die Förderung für diese Jahre. Heißt im Klartext eben auch: Der Kreis Pinneberg spart für diese Jahre 2 Mio. Euro im Ausbau oder der Sanierung des Radwegenetzes – Geld, das so für andere, ‚wichtigere‘ Projekte bereit steht. – Hierzu gab es keine Beschlussempfehlung.
  • Ö 14.2, Teilfortschreibungen des Landesentwicklungsplanes. Bei dieser Mitteilung, die dem Wirtschaftsausschuss zur Kenntnisnahme vorgelegt wurde, geht es im Wesentlichen um die Steigerung der Attraktivität der Schaffung kleiner, bezahlbarer Wohneinheiten für die Kommunen in SH und um die Neufestlegung der Ziele und Grundsätze der Raumordnung zur Steuerung der Windenergienutzung an Land. Die Teilfortschreibungen enden in der Sommerpause.

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