Persönlicher Bericht zu den Ausschusssitzungen am 05., 06. und 07.09.2023
In der Woche vom 04.09.2023 sah der Sitzungskalender des Kreistags folgende drei Termine vor:
- Di., 05.09., 18:30: Sitzung des Ausschusses für Finanzen, Konferenzraum Arboretum
- Mi., 06..09., 16:30: Sitzung des Hauptausschusses, Konferenzraum Arboretum
- Do., 31.08., 18:00: Sitzung des Ausschusses für Soziales, Gesundheit, Gleichstellung und Senioren, Konferenzraum Arboretum
Im Folgenden gebe ich stichpunktartig die Inhalte der Sitzungen der drei Ausschüsse wieder, versehen mit meiner ganz persönlichen Beurteilung dessen, was ich beobachten konnte.
Ausschuss für Finanzen
Hier muss ich gleich zu Beginn eine vollständige Unkenntnis der Sache insgesamt einräumen. Daher sei an dieser Stelle auf die im ALLRIS-Kalender einsehbaren Informationen, Statistiken und Schaubilder in den verschiedenen (PDF-)Dokumenten verwiesen.
Was man als finanzpolitisch unbedarfter Beobachter erfahren und bemerken konnte, war eine sehr verhalten anmutende Stimmung in Bezug auf die durch die Bundespolitik insgesamt erzeugte bedrohliche Wirtschafts- und Finanzsituation. Wiederholt waren Sätze zu hören, wie: „Die Lage ist nicht mehr wie zuvor. – Die fetten Jahre sind vorbei. – Die nächsten Jahre werden Veränderungen bringen, die wir bisher so nicht gewohnt waren.“ Es wurde auch erwähnt, dass man vom Land keine Spielräume mehr eingeräumt bekomme, der Bund seine Ausgaben kürze und diese durch das Land nicht aufgefangen werden könnten. Daher müssten alle sparen. Personalkosten seien ein erheblicher Faktor und würden bei den Planungen mit ins Kalkül für Ausgabendisziplin herangezogen. Hier müssten Leistungen zurückgefahren werden und alles über das Pflichtmaß hinaus Gehende stehe infrage.
Bemerkenswert erschien mir in diesen Zusammenhang die Erwähnung der Folgekosten des Klimawandels, die ja eigentlich unkalkulierbar sind. Wörtlich hieß es: „Der Klimawandel geht nicht am Kreis Pinneberg vorbei.“ So werde der Meeresspiegel steigen mit all den Kosten, die z. B. für Küstenschutz zu tragen seien. Auch sei die Zahl der Einwohner im Kreis gestiegen, und der Kreis habe die vom Bund übertragenen Aufgaben zu stemmen. Der Bund aber „dreht sich anschließend um und schiebt die Verantwortung auf die Länder“.
Kommentar
In diese Sachverhalte muss sich dieBasis meines Erachtens noch wesentlich intensiver einarbeiten, um eine gesamtdeutsche Positionierung in Fragen der Wirtschafts- und Finanzpolitik vornehmen zu können. Dabei erscheint es aus meiner Sicht dringend geboten, sich die beiden grundlegend verschiedenen Denkschulen in der Wirtschaftstheorie anzusehen. Einerseits gibt es die Neoklassik nach Adam Smith, der österreichischen Schule (Mises, Hayek etc.), sowie u. a. nach Milton Friedman [Begründer des Monetarismus, einer Weiterentwicklung des neoklassischen Denkgebäudes], die die Wirtschaft hauptsächlich dem freien Spiel der Kräfte unter der alles ordnenden „unsichtbaren Hand des Marktes“ überlassen möchte, in der der Staat allenfalls eine untergeordnete Rolle als „Nachtwächter“ spielen sollte. Andererseits gibt es den sogenannten Keynesianismus, der den Staat als unverzichtbaren, ordnenden und rettenden Akteur der Wirtschaft sieht, besonders wenn sie (mal wieder) durch unsinniges Herdenverhalten in die falsche Richtung gerannt ist und die Gesellschaft an den Rand des Ruins zu bringen droht. In diesem Zusammenhang wären noch die, aus Sicht der Neoklassiker kaum nachzuvollziehenden, Gedanken der Modern Monetary Theory (MMT) zu erwähnen, die u. a. in der von vielen Seiten geschmähten Staatsverschuldung nicht den wirtschaftspolitischen Gottseibeiuns sehen.
Mit diesen unvereinbar gegensätzlichen Denkschulen der Volkswirtschaftslehre müsste sich unsere Partei grundlegend auseinandersetzen, nicht zuletzt auch, damit wir darüber beraten können, wo wir uns verorten wollen und welches Modell des Wirtschaftens in Deutschland und Europa dieBasis anstrebt.
Hauptausschuss
An diesem sehr warmen Mittwochnachmittag begann die Sitzung bereits um 16:30 Uhr. Auch die Landrätin, Frau Elfi Heesch, war frühzeitig erschienen, und sie ließ es sich nicht nehmen, alle zu diesem Zeitpunkt anwesenden Teilnehmer, inklusive aller Gäste persönlich mit Handschlag zu begrüßen.
Zur Tagesordnung verweise ich auf die Daten und Dokumente im ALLRIS-Kalender – in diesem Bericht beschränke ich mich auf einige Punkte der TO und gebe dann meine persönlichen Eindrücke wieder.
Zu Ö 7.1 K22 – Berufung gegen das Urteil des Schl.-Holst. Verwaltungsgerichts Schleswig vom 15.06.2021 hier: Begründung des Berufungsurteils des Schl.-Holst. Oberverwaltungsgerichts (OVG) Schleswig:
Es geht hierbei um den Neu- und Ausbau der Kreisstraße 22 (K 22), 2. und 3. Bauabschnitt, in Tornesch und Uetersen. Gegen die hierzu erfolgte Teilenteignung ihrer Grundstücke hatten zwei Eigentümer geklagt und vor dem Verwaltungsgericht (VG) in Schleswig insoweit recht bekommen als es einige Verfahrensfehler in der fristgerechten Benachrichtigung und Art der Enteignung (die in Teilen zu weit gegangen war) gegeben hatte. Das VG hatte jedoch die Neuauflage eines Planfeststellungsverfahrens angeordnet, wogegen der Kreis in Berufung vor das Oberverwaltungsgericht (OVG) Schleswig gezogen war.
Das OVG hob das Urteil des VG insoweit auf als dessen Beschluss zu weit ging, weil die beanstandeten Enteignungen lediglich in ihrem Umfang zu korrigieren seien, weswegen es keiner vollständigen Neuauflage des gesamten Planfeststellungsverfahrens bedürfe.
Für den Kreis ein Teilerfolg, nicht zuletzt auch deshalb, weil, wie der Hauptausschuss gewissermaßen brandaktuell erfuhr, das Urteil des OVG rechtskräftig sei.
Zu 7.5 Aufwand Kreistagssitzungen im Ratssaal der Stadt Pinneberg
Insgesamt sucht der Kreistag auf mittlere Frist eine neue, besser ausgestattete Bleibe. Zwar sei man mit der Stadtverwaltung fortlaufend im Gespräch, dennoch seien einige erhebliche Mängel in der Ausstattung des Ratssaales Pinneberg nach wie vor nicht behoben. Die Stadt habe seinerzeit bei Planung und Bau des Rathauses aus Kostengründen auf den Einbau einer Klimaanlage verzichtet, und die bestehende Lüftung „ist schon lange kaputt“.
Soweit ich mich an die konstituierende Sitzung des Kreistags im Juni dieses Jahres richtig erinnere, sind im Ratssaal keine Fenster vorhanden, die Lüftung erfolgte an diesem ziemlich heißen Tag allein durch die zum Foyer hin geöffneten Türen.
Auch die Regelung in Verbindung mit der Nutzung der Tiefgarage sei unbefriedigend. So hätten Kreistagsabgeordnete nach der Sitzung vor verschlossenen Türen gestanden: „Man kommt nicht raus.“ Es gibt einen externen Betreiber, Stadt und die Sparkasse sind Mieter. Es gebe eine Alternative mit 200 Stellplätzen.
Der Kreispräsident betonte, er arbeite mit Hochdruck an dem Problem und suche nach Alternativen. Kurzfristig müsse man versuchen, Verbesserungen zu erzielen, langfristig suche man nach Alternativen – so jedenfalls könne der Kreistag auf Dauer nicht vernünftig und angemessen arbeiten.
Zum Ende des öffentlichen Teils der Ausschusssitzung meldete sich noch einmal Burghard Schalhorn, nicht gewählter Kandidat der AfD für den Vorsitz des Jugendhilfeausschusses, zu Wort und sprach erneut das Thema der angeblich geplanten Unterkunft für 500 Flüchtlinge an. Inzwischen habe die Stadt Elmshorn einen Bauantrag gestellt. Schalhorn wollte wissen: Hat die Landrätin davon Kenntnis? Darüber sollten die Bürger informiert werden.
Sie kenne „diese Spatzen nicht“, so Frau Heesch. Es sei „nichts dran“. Zwar überlege Elmshorn, ob Container errichtet werden sollen, dies habe aber nichts mit den Asylanten zu tun. Außerdem sei die Kreisverwaltung nicht zuständig, da Elmshorn in dieser Sache eigenständig sei und sich selbst verwalte.
Ausschuss für Soziales, Gesundheit, Gleichstellung und Senioren
Zunächst auch hier der Verweis auf die im ALLRIS-Kalender zu findende Tagesordnung nebst der hinter den Einzelpunkten einsehbaren Dokumente.
In Erinnerung geblieben ist mir, dass der „Fachdienst 22 Sicherheit, Verbraucherschutz und Migration“ sich auch um Fragen des Jagdgesetzes kümmert, um Waffenbesitz, um Sprengstoffe und deren gesetzeskonforme Lagerung. Interessant war in dem Zusammenhang die Nennung der „Reichsbürger“ und dass wenige Augenblicke später, als es um die Versammlungsbehörde und das von ihr beaufsichtigte Versammlungsrecht demonstrierender Bürger ging, die Montagsspaziergänger erwähnt wurden. Auch seien die Versammlungen von Nazis insgesamt weniger geworden.
Außerdem kümmert sich der Fachdienst 22 um Fragen der Nahrungsmittelhygiene und das Tierwohl. Gezeigt wurden ziemlich verstörende Bilder nicht artgerechter Tierhaltung oder regelrechter Verwahrlosung von Haus und Nutztieren, die teilweise (z. B. eine Mutterkuh mit ihrem Kalb) im Stall im eigenen, mehrere Zentimeter hohen Kot standen.
Die Abteilung 22-3 Zuwanderung und Integration verantwortet die Themen Einbürgerung, Bearbeitung „schwieriger“ Fälle, die Ablehnung von Aufenthaltstiteln, die Ausweisung von Straftätern und staatsgefährdenden Personen, die Bearbeitung von Personen mit illegalem Aufenthaltsstatus sowie Duldung und Rückführung.
Bemerkenswert und für mich ein wenig verstörend war der neu zu verwendende, politisch korrekte Sprachgebrauch: Anstatt von Asylbewerbern, Migranten oder gar Ausländern, spricht und schreibt man in den Behörden lieber von den „Kunden“. So lebten derzeit im Kreis Pinneberg insgesamt „47.806 ausländische Kunden“. Das ist bei einer Gesamteinwohnerzahl von 322.130 (2022, nach statista) ungefähr jeder 7. Einwohner.
Auch in diesem Bereich war die Überlastung der Mitarbeiter, wenngleich sie nicht explizit erwähnt wurde, mit Händen zu greifen. Die Fülle an Aufgaben, die oben teilweise erwähnt sind, ist in den Behörden stetig gewachsen.
Dann möchte ich noch zu der Diskussion über das Modellprojekt „aufsuchende Seniorenarbeit – Präventive Hausbesuche“ einige Bemerkungen machen:
Hier war angedacht, alte, alleinstehende Menschen aufzusuchen, um sich nach ihrem Wohl zu erkundigen, nachzufragen, ob sie etwas benötigten, Einkäufe, Behördengänge oder sonstige Besorgungen entweder anzubieten oder mit ihnen gemeinsam zu erledigen. Betont wurde, dass dieser Dienst ausdrücklich nichts mit Altenpflege oder der medizinischen Betreuung besonders Bedürftiger zu tun hat, sondern ein Präventionsangebot vor Vereinsamung im Alter sein soll. Durch Corona hätten viele Alte isoliert leben müssen und seien vereinsamt zurückgeblieben, weil niemand sie besuchen konnte.
Bei all diesen Erörterungen vermieden es die Mitglieder des Ausschusses, den mit Händen zu greifenden „Elefanten im Raum“ zu benennen. Es war nicht Corona, das all diese beklagenswerten Zustände verursacht hat – es war das unhinterfragte Befolgen von Vorgaben und Anweisungen durch die Politik; es war die oft zu beobachtende Empathielosigkeit, derer sich die handelnden Personen aus der Verwaltung schuldig gemacht hatten, als sie die Maßnahmen zur Bekämpfung einer angeblichen „Pandemie“ umsetzten, ohne auf das dadurch verursachte Herzeleid (Vereinsamung der Alten, die ihre Kinder und Enkel nicht mehr sehen durften) zu achten.
Und ebenjene Verwaltungsangestellten und Politiker des Kreises sitzen nun da und erörtern, wie man die Vereinsamung der Alten vermeiden oder verhindern kann, oder wie man durch „aufsuchende Seniorenarbeit“ und „präventive Hausbesuche“ entstandenes Leid abmildern kann.
Das habe ich, als ich den Damen und Herren – besonders aus der SPD-Fraktion, die den Antrag eingebracht hatten – zuhörte, als nur schwer erträglich empfunden.
Zum Schluss sei noch ein weiterer „Elefant im Raum“ erwähnt. Der stand in dem Bericht über die Überlastung in den Pflegeberufen unübersehbar da (jedenfalls für uns als Beobachter aus der Basis). Es wurde von „plötzlichen und lang anhaltenden“ Krankenständen unter den Pflegern berichtet, die, so ist zu vermuten, meist eher jüngeren Alters sein dürften. Aber auch in diesem Fall war der „Elefant“ kein Thema. Niemandem wollte der Gedanke kommen, sich zu fragen, wie dieses bemerkenswerte Phänomen zu erklären sei, bzw. worin seine Ursache liegen könnte.