Persönlicher Bericht zu den Sitzungen am 13. und 14.09.2023

In der Woche vom 11.09.2023 sah der Sitzungskalender des Kreistags folgende zwei Termine vor:

  • Mi., 13.09., 18:00: Sitzung des Kreistages, Rathaus, Ratssitzungssaal
  • Do., 14.09., 18:30: Sitzung des Ausschusses für Schule, Kultur und Sport, Konferenzraum Arboretum

Diese Woche versprach spannend zu werden, denn im Vorwege hatte der nicht gewählte Kandidat der AfD für den Posten des Vorsitzenden des Jugendhilfeausschusses, Burghard Schalhorn, angekündigt, „Rabatz“ machen zu wollen. Das tat er dann auch, als die Tagesordnung unter Punkt 11 die Wahl des Ausschussvorsitzenden des Jugendhilfeausschusses vorsah. Es war vereinbart worden, dem Kandidaten Gelegenheit zu einer Bewerbungsrede zu geben. Wie Schalhorn sie nutzte und was sich daraus ergab, dazu später mehr.

Zunächst soll es um einige ausgesuchte Punkte der Tagesordnung gehen, um gewissermaßen einen groben Überblick vom Prozedere der Kreistagssitzung am vergangenen Mittwoch zu skizzieren.

Sitzung des Kreistages (Plenum)

Nach Feststellung der Regularien (TOP Ö 1) und der Verpflichtung der neuen Kreistagsabgeordneten auf die „gewissenhafte Erfüllung ihrer Obliegenheiten“ (TOP Ö 2) stand die Ehrung lang gedienter Mitglieder des Kreistags an (TOP 3). Geehrt wurden der Kreispräsident Helmuth Ahrens (CDU), seine beiden Stellvertreterinnen Elke Schreiber (SPD) und Sabine Schaefer-Maniezki (Grüne), Dieter Wenskat (Seniorenbeirat Kl. Offenseth-Sparrieshoop), Peter Friedrich Botter (SPD), Werner Harms (SPD) und Ortwin Schmidt (CDU).

Die Aktuelle Stunde mit dem Titel: „Antrag der SPD-Fraktion: Welche Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel sind erforderlich, damit der Kreis Pinneberg seine Kernaufgaben noch erfüllen kann?“ (TOP Ö 4) wurde verschoben.

Die Festsetzung der Tagesordnung (TOP Ö 5) erfolgte routinegemäß, Mitteilungen des Präsidenten (TOP Ö 6) gab es keine, und so konnte TOP Ö 7, Fragestunde für Einwohner beginnen.

Eine Bewerberin um das Amt des Behindertenbeauftragten des Kreises Pinneberg fragte nach dem Fortgang des Auswahlverfahrens. Sie wollte wissen, warum es derzeit ruhe und was die Meinung der Fraktionen des Kreistags hierzu sei. Zudem fragte sie: „Ist der Behindertenbeauftragte als Hauptamt oder Ehrenamt gedacht? Bis wann haben Sie geplant, das Amt zu besetzen? Wie werden die Einwohner damit umgehen? Sollte inzwischen ein Interimsbeauftragter eingesetzt werden?“

Frau Heesch, die Landrätin, verwies auf das schwebende Verfahren, weswegen sie jetzt „leider keine Auskunft“ geben könne. Aber einen guten Tipp konnte sie der Bewerberin geben: „Besuchen Sie gern die Sitzungen des Sozialausschusses und fragen dort immer wieder mal nach.“

Kommentar

In diesem kleinen Wortwechsel einer sich ehrenamtlich engagieren wollenden Bürgerin und der ‚Obrigkeit‘ in Gestalt der Landrätin wird meines Erachtens exemplarisch das Missverhältnis zwischen Bürger und Staat deutlich. Bürger, die sich engagieren wollen, treten als Bittsteller an die Repräsentanten des Staates heran, und diese erklären ihnen, das Verfahren ruhe, welches darüber entscheidet, wer denn das Ehrenamt ausführen dürfe. Auf die Frage, wann denn mit einer Antwort zu rechnen sei, wie lange es sich hinzieht, erfährt der staunende Aspirant, das dürfe man jetzt nicht sagen, da das Verfahren andauere, er solle aber immer wieder mal nachfragen. Und wozu? Nur um jedes Mal die gleiche frustrierende Antwort zu erhalten?

Wer hier nicht resigniert zurückzieht und sein Engagement beendet, den muss man schon beinahe als Held bezeichnen.

Den verbeamteten, angestellten oder, wie im Falle der Landrätin, gewählten Repräsentanten des Staates fällt ihr abschreckendes Verhalten gar nicht auf. Sie haben doch alles nach Recht und Gesetz erledigt und haben rechtmäßig korrekt Auskunft erteilt. Zugleich aber können dieselben braven Staatsdiener nicht die Problematik ihres mechanisch abgespult vorgetragenen Programms erkennen.

Das Ehrenamt braucht Bürger, die eben nicht bloß Dienst nach Vorschrift tun. Nur wer mehr als bloße Pflichterfüllung leisten will, versieht ein Ehrenamt. Empathie, Selbstlosigkeit, Solidarität (Christen würden es Nächstenliebe nennen) sind die Motive, die Menschen mehr als das durch Lohn Vergütete tun lässt. Wer mehr freiwilligen Einsatz der Bürger zum Nutzen des Gemeinwesens erzeugen will, darf sich nicht hinter Recht und Gesetz verschanzen und darf vor allem die Bürger nicht als Bittsteller sehen, die man nach Belieben oder weil es die Vorschriften so sagen abkanzelt.

Auch in diesem Bereich braucht es einen Mentalitätswechsel und es braucht eine grundlegend andere Umgangsweise im Verhältnis Bürger und Staat. DieBasis sollte auch hier die wählbare Alternative sein.

*

Es folgten nun TOP Ö 8 und Ö 9, in denen es um die Kenntnisnahme der Niederschriften über die Sitzungen des Kreistags vom 03.05. und 21.06.2023 ging. Danach wurden die in TOP Ö 10, in den Einzelpunkten 10.1-.4 vorgeschlagenen Nachbesetzungen von Ausschüssen im Block abgestimmt. Alle 4 Personenvorschläge wurden einstimmig angenommen.

*

Der nächste Tagesordnungspunkt (TOP Ö 11) sah die Wahl des Vorsitzenden des Jugendhilfeausschusses vor. Hierzu hatte die AfD-Fraktion des Kreistags Burghard Schalhorn als Kandidaten benannt. Zudem sollte es zuvor die Bewerbungsrede des Kandidaten geben.

Die Gelegenheit, sich nun als bestmögliche Besetzung des Amtes zu präsentieren und seine fachliche und menschliche Kompetenz zweifelsfrei unter Beweis zu stellen, vertat Burghard Schalhorn.

Er begab sich sogleich in die Position der Verteidigung und beklagte, dass man die zahlreichen Anträge der AfD pauschal abgelehnt habe – im Kreis, im Land und vor allem auf Bundesebene. Zudem monierte er, man habe im Vorwege bereits versucht, ihn einzuengen, indem man ihn ermahnt habe, er möge sich hier im Kreistag allein zu seiner Kandidatur äußern.

An dieser Stelle muss man einfügen, dass Burghard Schalhorn zum einen leider recht unverständlich artikuliert und dass zum anderen auch gleich nach seinen einleitenden Worten erhebliche Unruhe im Saal entstanden war. So hatten sich insgesamt nacheinander die beiden fraktionslosen Abgeordneten der Linken, 4 Abgeordnete der Grünen und 4 der CDU von ihren Plätzen erhoben und den Saal verlassen.

Daher war nicht jedes Wort Schalhorns zu verstehen. Als er dann wieder anhob, um über den Umgang der Abgeordneten des Bundestags mit der AfD zu reden und darüber, wie man ihre Anträge regelmäßig pauschal ablehnt, schritt Helmuth Ahrens, der Kreispräsident, ein und ermahnte Schalhorn, sich zu seiner Kandidatur zu äußern, sonst entziehe er ihm das Wort.

Der Grund seiner Ablehnung, so Schalhorn weiter, seien Behauptungen wie: „Schalhorn ist kein Demokrat.“ – „Er ist nicht in der Lage, einen Ausschuss zu leiten.“ – „Ich kann Ihnen sagen“, so Schalhorn weiter, „ich hab schon mal einen Ausschuss geleitet. Viele von Ihnen verkennen die Arbeit eines Ausschussvorsitzenden (…) Die Grünen meinen, mit der damaligen geheimen Wahl das Ei des Kolumbus gefunden zu haben (…)“

Weiter kam er nicht, da die Unruhe im Saal inzwischen einen beachtlichen Geräuschpegel überschritten hatte und der Kreispräsident ihn wiederholt unterbrochen und ermahnt hatte, bei der Sache zu bleiben.

Auch drangen immer mehr Stimmen an das Präsidium, die eine Diskussion und Fragen an den Kandidaten einforderten. Die Juristin vom Dienst erklärte, dies sei absolut rechtskonform und Kandidaten müssten sich Fragen der Abgeordneten stellen.

Inzwischen hatte Schalhorn gemerkt, dass er so nicht vorankam und erklärte das Ende seiner Rede. – Laut vernehmliches Aufatmen im Saal. –

Als erstem Fragesteller erteilte Ahrens dem Fraktionsvorsitzenden der SPD, Hans-Peter Stahl, das Wort. Dies sei keine Bewerbungsrede, so Stahl, sondern eine Ansammlung aus Angriffen, persönlichen Beschimpfungen und dem Gerieren als Opfer. Man könne die Abgeordneten nicht zwingen, jemanden zu wählen. Sie wählten den, den sie wollten. Das sei Demokratie.

Mittlerweile waren diejenigen aus CDU, Grünen und der Linken, die während Schalhorns Rede den Saal verlassen hatten, just in dem Moment wieder hereingekommen, da er seine Rede für beendet erklärt hatte.

Stahl weiter: „Sie tun so, als stünde Deutschland vor dem Abgrund. Jeden Tag ein Mord im Kreis Pinneberg. Ausländer verübten haufenweise Straftaten aber in der Politik spreche niemand darüber. Und das stimmt so nicht und Sie wissen das. Dann haben Sie die Kompetenz der Gleichstellungsbeauftragten infrage gestellt. Das ist respektlos. Und dann sind Sie mit regelrecht demokratie- und verfassungsfeindlichen Aussagen aufgefallen, etwa: ‚Ich will nicht lang und breit mit Gesetzestexten behelligt werden.‘ – Nein, Herr Präsident, Herr Schalhorn ist als Vorsitzender des Jugendhilfeausschusses ungeeignet und unwählbar. Für ein solches Amt muss man persönliche Eigenschaften mitbringen und muss Vorbild sein. Sie, Herr Schalhorn, sind kein Vorbild. Und aus all diesen Gründen wird die SPD Herrn Schalhorn auch nicht wählen.“

Zwischenzeitlich waren aus der AfD-Fraktion Einwände erhoben worden. „Das waren keine Fragen“, hieß es. Damit hatte man formal recht, denn zu Beginn hatte die Regelung gelautet, dass nach der Bewerbungsrede Fragen gestellt werden könnten. Nun hatte Herr Stahl aber ein Statement abgegeben, Herrn Schalhorn und die AfD kritisiert und das Wahlverhalten seiner Fraktion angekündigt.

Fragende Augen richteten sich nun an die Juristin: Die Geschäftsordnung erlaube neben Fragen an den Kandidaten auch Kritik und Diskussion. Allerdings möge man darauf achten, zur Bewerbungsrede zu kommentieren oder zu fragen, damit die Wahlen nicht in eine allgemeine politische Diskussion abdrifteten.

„Wenn wir kritisiert werden, wenn ich kritisiert werde, muss ich auch antworten können,“ so Schalhorn. Da hatte er recht.

Frau Susanne von Soden-Stahl, Fraktionsvorsitzende der Grünen, stimmte in die Abrechnung mit Schalhorn und der AfD ein und warf ihnen vor, ebenfalls sämtliche Anträge der anderen Fraktionen abgelehnt zu haben. Allerdings bezog sie sich auf über ein Jahr zurückliegende Ereignisse und ergänzte, man könne dies nach wie vor in den seinerzeit angefertigten Protokollen nachlesen. „Ja, das sind Protokolle von vor einem Jahr“, so Schalhorn, „die kennt doch heute kaum noch einer, wenn man sie nicht mitgeschrieben hat.“

So oder sinngemäß ging der Schlagabtausch zu. Tatsache ist, dass ich in den Ausschüssen und auch bei einigen Tagesordnungspunkten dieser Legislaturperiode im Kreistag beobachten konnte, dass die AfD keineswegs alle Anträge der anderen Fraktionen abgelehnt hatte. Insofern kann man ihr eine gewisse Sachorientierung im Abstimmungsverhalten nicht absprechen.

Jedermann im Saal wusste vorher, dass Schalhorn als Vorsitzender des Jugendhilfeausschusses auch diesmal nicht gewählt werden würde. Die Verhältnisse waren klar und es gab daher keine Veranlassung, geheime Wahlen zu beantragen. Durch Hochhalten der Stimmkarten war das Ergebnis deutlich sichtbar. Gegen die Stimmen der AfD, bei Enthaltung der FDP-Fraktion und des fraktionslosen Abgeordneten der Basis, gab es eine breite Ablehnung des Kandidaten Schalhorn.

Auf Nachfrage verzichtete seine Fraktion auf einen 2. Wahlgang.

*

Anschließend im TOP Ö 12 stand ebenfalls eine Wahl an. Zu wählen war der stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses für Schule, Kultur und Sport. Hierzu gab es den Vorschlag und Antrag der AfD-Fraktion, Herrn Lars Ole Carstens zu wählen.

Seine Bewerbungsrede war kurz. Er stellte sich mit Namen vor, gab seinen Wohnort und seinen Personenstand (verheiratet, keine Kinder) an und schloss mit der Bemerkung ab, er halte die Arbeit des Ausschusses für Schule, Kultur und Sport (SKS) für wichtig und sinnvoll und wolle sich daher dort einbringen und kandidiere aus diesem Grund für das zu wählende Amt.

In der anschließenden Befragung des Kandidaten entspann sich eine aus meiner Sicht bizarre Gesinnungsprüfungsdiskussion. Herr Carstens hatte sich unvorsichtigerweise als Antwort auf die Anwürfe bezüglich gewisser Facebook-Posts auch der jungen Alternative zu Migration und Asyl auf eine philosophische Betrachtung von Ethik und Moral zurückzuziehen versucht. Geschehnisse der Vergangenheit müsse man stets auch im Kontext ihrer Zeit betrachten, ethische und moralische Vorstellungen und gesellschaftliche Übereinkünfte und Regeln des Zusammenlebens seien einem steten Wandel im Lauf der Zeit unterworfen. Was gestern noch Recht war (beispielsweise die Verfolgung Homosexueller) wird heute als Unrecht angesehen, und so müsse man möglichst vorurteilsfrei auch andere Wertmaßstäbe und Normen der Vergangenheit stets im Licht ihrer eigenen Zeit betrachten.

Philosophisch betrachtet mögen seine Ausführungen durchaus diskussionswürdig sein – hier aber, an diesem Ort, zu dieser Zeit und diesem Anlass war sein Vorgehen unklug oder blauäugig.

Und so stürzten sich die Vertreter der anderen Fraktionen auch gleich beinahe hysterisch auf seine Äußerungen, verstanden sie mit sichtlicher Genugtuung miss und drehten dem nicht besonders gut vorbereiteten Kandidaten das Wort im Munde um oder legten seine Erklärungsversuche im Zweifel genüsslich gegen ihn aus. Er konnte diese Redeschlacht nicht gewinnen – und unterlag, wie nicht anders zu erwarten war, bei 6 Ja-Stimmen (AfD), 5 Enthaltungen (FDP und dieBasis) der geballten Anzahl der Nein-Stimmen der anderen Fraktionen und der beiden Fraktionslosen der Linken.

Nachzureichen wäre vielleicht noch die Diskussion um das Abstimmungsverhalten, bei dem Herr Carstens an das in den Kommunalwahlen erzielte Ergebnis der AfD hinwies, das eben auch den Wählerwillen insoweit ausdrücke, als daraus auch gewisse Mitwirkungsrechte der Parteien (hier z. B. bei der Besetzung von Ausschussvorsitzenden-Posten) erwüchsen.

Dies glaubte der Fraktionsvorsitzende der SPD, Herr Stahl, mit Verweis auf Artikel 38 Grundgesetz kontern zu können. Artikel 38 GG besagt, dass die Abgeordneten des Deutschen Bundestags (mithin – nach Auslegung Stahls – auch Kreistagsabgeordnete) frei gewählt werden, „an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen“ seien. Daher könne man keinen Abgeordneten zu einer bestimmten Wahl zwingen. Eine zwangsweise Wahl sei rechtswidrig.

Hätte Herr Carstens Artikel 38 GG im Wortlaut gekannt oder das Grundgesetz griffbereit gehabt, hätte er allein durch dessen bloßes Zitieren eine passende Antwort geben können. Darüber hinaus hätte ihm Artikel 3 Satz 3 einfallen können, der zu den unveräußerlichen Grundrechten zählt: „Niemand darf wegen seiner (…) politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.“

Da aber Herr Carstens an diesem Tag schlecht vorbereitet war, stand ihm das Grundgesetz zur Erwiderung auch nicht zu Verfügung.

Bleibt für das Protokoll noch festzuhalten, dass seine Fraktion auch nach dieser Wahlniederlage auf einen zweiten Wahlgang verzichtete.

Damit war der Weg zur Fortsetzung der Tagesordnung frei.

*

In TOP Ö 13 ging es um die Aktualisierung eines Antrags der SPD zum Haushaltsbegleitbeschluss 2023/2024: „Gründung einer gemeinnützigen kommunalen Wohnungsagentur zur Deckung des Wohnungsbedarfs im Kreis Pinneberg“. Im Kern geht es hierbei um Hilfen für Menschen, die nur sehr schwer eine Wohnung finden, da sie in den Teufelskreis aus fehlendem Wohnsitz, daraus resultierender Chancenlosigkeit auf dem Arbeitsmarkt und daraus wiederum resultierender Chancenlosigkeit bei der Wohnungssuche (welcher Vermieter akzeptiert Mieter mit unsicherem oder ungeregeltem Einkommen?) geraten sind.

„Wir haben in der Vergangenheit keine Möglichkeit gehabt, diesen Menschen zu helfen, daher sollte es eine Struktur geben, in der solchen Bedürftigen, die aus den verschiedensten Gründen im Leben auf die schiefe Bahn geraten oder schlicht gescheitert sind, Unterstützung angeboten wird.“ Das war im Großen und Ganzen die Argumentation von SPD, Grünen und der Linken.

Dem hielten CDU, FDP und AfD entgegen, wenn Wohnraum fehle, müsse man „bauen, bauen und nochmal bauen“. Dazu müsste Vermietern staatlich geholfen werden, und es sollten ihnen auf keinen Fall weitere Steine in den Weg gelegt werden, wie es die amtierende Bundesregierung derzeit in großem Umfang tue. Wer keine preiswerte Wohnung finde, könne bereits heute einen Antrag auf Hilfe stellen, die Zugänge zu den Hilfen sind leicht, so war es aus der CDU zu hören. Zudem solle der Kreis die Kommunen dabei unterstützen, neuen Wohnraum zu schaffen, z. B. in der Ausweisung und Bereitstellung neuen Baulands.

Aus der FDP war ebenfalls Ablehnung zu hören, so wie es in der Vergangenheit schon gewesen sei. „Ihr Antrag wird das Problem nicht lösen.“ Anstatt neue Einrichtungen zu schaffen, die neue Personalkosten verursachen, sollten lieber die bereits vorhandenen Strukturen besser genutzt und verbunden werden. Es gebe private Träger und zwischen ihnen und den Kommunen müsse die Kommunikation verbessert und ausgebaut werden. Hierzu verwies man auf eine „Erklärung der im Kreis Pinneberg immobilienbesitzenden Eigentümer und den Menschen mit Behinderungen betreuenden Organisationen hinsichtlich der Zurverfügungstellung von Wohnraum für behinderte Menschen“, die sogenannte „Pinneberger Erklärung“. Darin werde die Vermittlung von Wohnungen an Bedürftige zugesichert (freilich „unter Beachtung wirtschaftlicher Grundsätze“, wie es in der Erklärung heißt).

Dies mochten SPD, Grüne und Linke so nicht stehen lassen. „Haben Sie unseren Antrag überhaupt gelesen?“, fragte die Rednerin der SPD. „Schauen Sie doch einfach mal über die Landesgrenzen hinaus. In Hamburg ist eine solche Stelle, wie wir sie gern schaffen würden, längst beschlossen. Warum kann man das nicht übernehmen? Außerdem steht das, was CDU und FDP einfordern, genauso in unserem Antrag. Also, fassen Sie sich ein Herz und stimmen Sie dem zu.“

Und die Abgeordnete der Grünen ergänzte: „Warum wollen Sie (CDU, FDP) so weitermachen, wie es in der Vergangenheit offensichtlich nicht geklappt hat? Stattdessen höre ich heute dieselben Argumente wie zuvor. Dabei haben wir längst alle Ihre Fragen und Einwände beantwortet. (…) Über welche Menschen reden wir denn überhaupt? Wir reden über diejenigen, die mit all den Angeboten, die es schon gibt nicht weiterkamen. Sie haben bei keiner der bestehenden Einrichtungen mehr eine Chance. Mit ‚bauen, bauen, bauen‘ helfen Sie denen nicht.“

Dann meldete sich die Abgeordnete der Linken zu Wort: „Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie es ist, keine Wohnung zu haben. War selbst wohnungslos. Ich weiß nicht, ob Sie sich vorstellen können, wie es ist, keine Perspektive zu haben und auf der Straße zu sitzen.“ Ihr Parteikollege ergänzte: „Heute habe ich gelernt, dass der ‚Freie Markt‘ eben doch nicht alles regelt.“

Dann lud er Burghard Schalhorn, der in dieser Debatte auf die „enormen Kosten“ und ein nicht unwesentliches Problem mit Wohnungsverwahrlosung, die auf die Anbieter zukommen würden, verwiesen hatte, zu einem privaten Lehrgang zum Thema „Was ist Sozialismus?“ ein. Schalhorn hatte das Ansinnen der SPD mit den Worten kritisiert, das sei „keine soziale Marktwirtschaft, sondern sozialistische Marktwirtschaft“.

Schließlich meldete sich ein Vertreter der SPD zu Wort: „Es gibt Menschen, die fallen durchs Raster. Ich habe an verschiedenen Stellen die Tafeln betreut, kenne die Menschen, die sich dort ihr Essen holen. Denen helfen Sie nicht mit dem Bau schicker neuer Wohnungen. In Deutschland haben wir seit Jahren konstant 82 Millionen Einwohner. Früher wurden Wohnungen saniert und dabei machte man aus drei Wohnungen zwei größere. Aber die dadurch weggefallenen kleinen Wohnungen wurden nicht ersetzt.“

Alles Reden und alle Überzeugungsversuche halfen nichts – am Ende stimmten die 62 Kreistagsabgeordneten wie folgt ab:

  • Ja | SPD 14, Grüne 14, Linke 2, dieBasis 1 ergibt 31 Stimmen.
  • Nein | CDU 21, FDP 4, AfD 6 ergibt 31 Stimmen.

Bei Stimmengleichheit gilt ein Antrag als abgelehnt.

In den Tagesordnungspunkten 14 – 18 wurden die im ALLRIS-Kalender einsehbaren Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. bei Enthaltung der AfD-Fraktion angenommen.

Damit war diese arbeitsintensive Kreistagssitzung beendet.

*

Ausschuss für Schule, Kultur und Sport

Zu den näheren Einzelheiten hinsichtlich Tagesordnung und Vorlagen, die zur Kenntnis genommen bzw. abgestimmt wurden, verweise ich auf die öffentlich zugänglichen Informationen und Dateien im ALLRIS-Kalender.

Leider war es mir aus unterschiedlichen Gründen nicht möglich, diesem Ausschuss meine volle Aufmerksamkeit zu widmen; auch konnte ich nicht bis zum Ende der Tagesordnung anwesend sein. Was aber sowohl während der Kreistagssitzung als auch in diesem Ausschuss – der sich u. a. um den Unterhalt der Volkshochschulen kümmert, in denen ja auch Sprachkurse angeboten werden – immer wieder zu hören war, war die allgemeine Feststellung eines sich verschärfenden Personalmangels und einer zunehmend unsicheren Finanzierung. Bund und Länder kürzten, wo sie nur könnten und zuweilen ließen sie Kreise und Kommunen regelrecht im Regen stehen, die nicht wüssten, wie die zunehmenden Aufgaben, die sich durch die nach wie vor ungebremste Bevölkerungsausweitung ergeben, zu stemmen sein sollten.

So schafft die Politik sich selbst die Probleme, deren Lösung sie verweigert oder deren Ursachen sie nicht sehen will.

Für dieBasis heißt das aus meiner Sicht:

Es gibt eine Menge zu tun, anzupacken und grundlegend aufzuräumen. Das gesamte politische System gleicht einem Augiasstall, der geradezu herkulische Kräfte erfordert, um ihn zu reinigen. Wir werden uns gewaltig anstrengen müssen, wollen wir bei der Schaffung eines besseren Deutschland einen wirkmächtigen Anteil nehmen.