Persönlicher Bericht zur Ausschusssitzung und der Sitzung des Kreistags am 06. und 08.11.2023

In der Woche vom 06.11.2023 sah der Sitzungskalender des Kreistags folgende Termine vor:

  • Mo, 06.11. 18:00 Sitzung des Ausschusses für Soziales, Gesundheit, Gleichstellung und Senioren, Konferenzraum Arboretum
  • Di, 07.11. 18:30 Sitzung des Ausschusses für Finanzen, Konferenzraum Arboretum
  • Mi, 08.11. 18:00 Sitzung des Kreistags, Rathaus, Ratssitzungssaal
  • Do, 09.11. 18:30 Sitzung des Ausschusses für Schule, Kultur und Sport, Berufliche Schule Pinneberg

Unser Kreistagsabgeordneter Juan Gruben und die drei Basis-Mitglieder Inge H., Marlies K. und ich haben uns diesmal die Arbeit aufgeteilt und nicht an allen Sitzungen teilgenommen. Juan Gruben besuchte ein Treffen der Mitglieder vom Hauptausschuss mit dem Vorsitzenden der Sana Kliniken und der Geschäftsleitung der Regio sowie die Sitzungen des Finanzausschusses und des Kreistags. Inge H. Marlies K., und ich hatten uns für den Ausschuss Soziales, Gesundheit, Gleichstellung und Senioren und die Sitzung des Kreistags entschieden.

Zu den Sitzungen des Finanzausschusses und des Ausschusses für Schule, Kultur und Sport verweise ich auf die im ALLRIS-Kalender zu findenden Tagesordnungspunkte:

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Ausschuss für Soziales, Gesundheit, Gleichstellung und Senioren

Zu Beginn wurde ein weiteres bürgerliches Mitglied in den Ausschuss aufgenommen und durch den Vorsitzenden, Hans-Peter Stahl (SPD), auf die „gewissenhafte Erfüllung der Obliegenheiten“ verpflichtet, diesmal jedoch nicht per Handschlag, sondern, wie Stahl ausdrücklich betonte, „durch Zunicken“.

Zu den Tagesordnungspunkten Ö 4 und Ö 4.1 entstand eine zum Teil hitzige Auseinandersetzung des Vorsitzenden mit den Vertretern der AfD wegen ihres Antrags, das Protokoll der Sitzung vom 07.09.2023 um einige aus ihrer Sicht notwendige Details zu vervollständigen.

Ich will einmal exemplarisch darstellen, um welche Details es hier ging, um zu verdeutlichen, welch ’schwerwiegende‘ Entscheidungen in einem Kreistag zu treffen sind:

In jener Ausschusssitzung ging es um den erhöhten Bedarf an Abfallentsorgungsbehältnissen für Pflegebedürftige und Familien mit kleinen Kindern (für Windeln etc.). Über Art und Ausgestaltung der Behältnisse (80 ltr. Müllsäcke, Extramülltonnen [die evtl. Anlass zu Diskriminierung bieten könnten] oder 120 ltr. Müllcontainer für eine Wohnanlage) gab es eine längere Debatte (120.000 € hatte der Kreis pro Jahr an Ausgaben veranschlagt) und darüber, ob dies so unbedingt nötig sei , so die kritische Nachfrage der AfD.

Dies war im monierten Protokoll lediglich als „lebhafte Diskussion“ festgehalten worden, ohne ins Detail zu gehen und die unterschiedlichen Standpunkte der Diskussionsteilnehmer darzustellen. Das war der AfD aber zu wenig, und möglicherweise fühlte sie sich mit ihren Argumenten durch das Protokoll übergangen.

Zwei weitere Tagesordnungspunkte waren aus Sicht der AfD ebenfalls nicht ausführlich genug protokolliert worden, und sie beantragte „eine ausführlichere Darlegung der Standpunkte aller Teilnehmer“.

Erwähnt werden muss, dass der Antrag auf diese Änderungen im Protokoll vom 07.09.2023 seinerseits erst am 30.10.2023 den Ausschussvorsitzenden erreicht hatte, was dieser wiederum kritisierte.

Wenn Änderungen in Art und Umfang von Protokollen gewünscht seien, sei dies ja eine ganz grundsätzliche Überlegung, wie Protokolle ganz generell zu führen seien. Diese Debatte aber wollte Stahl „hier nicht führen“, das müsse im Hauptausschuss zur Sprache gebracht werden.

Außerdem wollte er dann doch mal ganz gerne wissen, wieso die AfD, wenn sie doch das Protokoll schon so lange vorliegen habe, erst so kurz vor der Sitzung des Ausschusses den Antrag gestellt habe. Außerdem seien Änderungsanträge zu Protokollen an den Kreistag zu stellen (und nicht, wie hier geschehen, an Ausschussvorsitzende zu adressieren).

Kommentar

Vielleicht ist dieses Hin und Her einfach der Tatsache geschuldet, dass in diesen Bereichen von Verwaltung und Politik die Verflechtungen im Laufe von Jahrzehnten gewachsen sind und sich zu einem schier unentwirrbaren Knäuel verfestigt haben. Politik, oder richtiger: Parteien durchdringen mittlerweile das gesamte öffentliche Leben, haben alle Institutionen und öffentlichen Verwaltungen besetzt, bestimmen über Fernsehprogramme, Krankenhäuser, Schulen und reden selbst den kommunalen Verwaltungen (Bürgerämter und Kreisverwaltung, die ihre Vorgaben durch den Gesetzgeber auf Bundes- und Landesebene erhalten) ständig drein.

Aus meiner Sicht sind dies Entwicklungen in einer gewissen Art selbstlaufender Prozesse, die entflechtet und nach und nach wieder auf ein menschlich vernünftiges Maß zurechtgestutzt gehören. Wo man aber zuerst ansetzen müsste, weiß ich leider nicht, dafür habe ich das ganze hochkomplexe Geflecht der Bürokratie noch nicht durchdringen können.

Tatsache aber scheint mir zu sein, dass man einmal grundlegend darüber nachdenken muss, was die eigentliche und tatsächliche Daseinsberechtigung von (aus meiner Sicht pseudodemokratischen) Institutionen wie der des Kreistags ist, über den die Landrätin, Elfi Heesch, mich im persönlichen Gespräch informierte, dass „wir alle (Kreistag und Kreisverwaltung) Teil der Exekutive“ sind. Derjenigen Verfassungsorgane also, die durch Legislative und Judikative ihre Weisungen (Gesetze) erhält oder zurechtgewiesen wird.

Zu diesem Themenkomplex wird an anderer Stelle noch ausführlicher Stellung zu nehmen sein.

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Ähnlich kontrovers wurde es, als Burghard Schalhorn (AfD-Fraktion) zu TOP Ö 6 fragte, ob sich alle auch über die wirtschaftlichen Konsequenzen des integrierten Klimaschutzkonzepts (IKK) im Klaren seien. Heizungsaustausch, Wärmeisolierung privater Gebäude und andere Folgekosten für die Bürger seien von diesen kaum zu stemmen, dies müsse bei aller Ernsthaftigkeit der Klimabemühungen berücksichtigt werden.

Der Ausschussvorsitzende Hans-Peter Stahl wollte das alles so nicht hinnehmen. Er wies Schalhorn scharf mit der Bemerkung zurecht, dieser habe die Vorlage doch überhaupt nicht gelesen und wolle aber hier eine Grundsatzdiskussion führen. Dazu sei er, Stahl, aber nicht bereit, denn nun ginge es allein über die Zustimmung oder Ablehnung und zuvor noch einmal eine kurze, zusammenfassende Gesamtdarstellung des IKK, aber eben nicht um eine Grundsatzdiskussion. Dafür sei im Übrigen dieser Ausschuss auch gar nicht zuständig.

Die für das IKK zuständige Referentin der Kreisverwaltung sollte dann noch einmal einige Hauptpunkte des IKK wiedergeben, und legte ihren Schwerpunkt auf die zu erreichende Absenkung der Treibhausgasemissionen bis 2040 auf Null. Dabei zeigte sie u. a. die unten abgebildete Grafik, aus der hervorgeht, dass die Anstrengungen dazu bisher wenig echte Wirkung zeigten und daher dringend ausbaufähig seien.

Im beschreibenden Text aus dem zur Beschlussvorlage beigefügten ‚Vorlage-Sammeldokument‘ (PDF-Seite 15) heißt es:

Werden das Referenz- und das Klimaschutzszenario übereinandergelegt, zeigt sich deutlich eine Lücke zwischen der erwarteten Reduktion, d. h. ohne die Berücksichtigung zusätzlicher Klimaschutzmaßnahmen des Kreises und dem Klimaschutzszenario (siehe Abbildung 8).

Demnach entsteht zur Erreichung der Ziele eine Umsetzungslücke von rund 1,36 Mio. t THG-Emissionen (62 %) im Jahr 2030 und 1,86 Mio. t THG-Emissionen im Jahr 2040 (94 %). Diese Lücke kann nur durch entschiedene Verhaltensänderungen sowie durch Maßnahmen und Vorgaben sowohl auf kommunaler, Kreis- und Bundesebene verringert werden.

An der Tatsache, dass hauptsächlich der Mensch für die zum Klimawandel maßgeblich führenden Treibhausgasemissionen (vor allem CO2) verantwortlich ist, weswegen es auch seine dringendste Aufgabe ist, den drohenden Klimakollaps aufzuhalten, besteht in Kreisverwaltung und Kreistag nicht der geringste Zweifel. Wer daran rüttelt, wird zurechtgewiesen und zur Beachtung der Verfahrensregularien ermahnt. Inhaltlich aber lässt sich niemand mehr auf irgendwelche Diskussionen ein. Das Thema ist abschließend durch die Wissenschaft geklärt – wer jetzt immer noch diskutieren will, gar andere Zahlen und Daten vorlegt, ist ein Abweichler, Schwurbler und Klimaleugner, den niemand ernst zu nehmen braucht.

Das ist der Konsens, auf den sich das politische Establishment hauptsächlich in Deutschland geeinigt hat. Man ist Vorbild an Einsichtsfähigkeit, wissenschaftlich unbestreitbarem Wahrheitswissen und will der Welt zeigen, wie und dass Klimaschutz funktioniert.

Der Kreis Pinneberg soll nach eigenem Bekunden Vorbild in der Umsetzung des Klimaschutzkonzepts sein. Da stören solche Grundsatzdiskussionen, wie die immer wieder einmal durch die AfD-Fraktion versuchte, nur.

Das war es letztlich, was der Ausschussvorsitzende Stahl deutlich mit seinem Verweis auf die Regularien zum Ausdruck brachte, wobei es ihm dann auch tatsächlich gelungen war, Burghard Schalhorn zum Schweigen zu bringen. Der verließ demzufolge vorzeitig die Ausschusssitzung.

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Interessant für Benutzer der öffentlichen Verkehrsmittel war der Bericht des Kreisseniorenbeirats in TOP Ö 8 insofern, als darin die immer noch nicht erreichte Barrierefreiheit der AKN erwähnt wurde. Zwar seien einige Haltepunkte der Linien A1, A2 und A3 entsprechend umgebaut, es fahren aber nach wie vor überwiegend die alten AKN-Triebwagen.

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Zu den anderen Tagesordnungspunkten dieser Ausschusssitzung verweise ich auf die Themen und Vorlagen im ALLRIS-Kalender. Sie wurden auch hier wieder in recht zügiger Abhandlung zur Kenntnis genommen, in die Fraktionen zur weiteren Beratung verwiesen oder mehrheitlich als Beschlussempfehlung angenommen.

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Sitzung des Kreistags

Helmuth Ahrens (CDU), der Kreispräsident, wies zu Beginn der ‚höchstwahrscheinlich letzten Sitzung für dieses Jahr‘ recht launig auf den Umfang der Tagesordnung hin, man strebe aber ein zügiges Abarbeiten an, „wenn Sie alle brav mitspielen“.

Gleich bei der Festsetzung der Tagesordnung konnten die Abgeordneten dies unter Beweis stellen, als sie der Absetzung, oder Kenntnisnahme des Beschlusses einiger der Tagesordnungspunkte in den Fachausschüssen zustimmten. Es waren dies Ö 10.1, Ö 11, Ö 12, Ö 13 und Ö 15.

Zu den nichtöffentlichen Tagesordnungspunkten N 21, N 21.1 referierte Ahrens über Beratungen, ob sie in den öffentlichen Teil zu verschieben wären. Dies hatte der Ältestenrat, der darüber kontrovers beraten hatte, mehrheitlich abgelehnt. Diesem Votum folgte das Kreistags-Plenum, und so blieben diese beiden Tagesordnungspunkte nichtöffentlich.

Es folgte die Bekanntgabe des Todes Benno Kolbergs im Alter von 91 Jahren. Ahrens würdigte die Verdienste des „CDU-Urgesteins“ auch für die langjährige Arbeit im Kreistag, wo er mit Unterbrechungen seit Anfang der siebziger Jahre als Abgeordneter und später auch als Vorsitzender des Finanzausschusses saß.

Dann wies Ahrens auf ein besonderes Datum hin: Am 07.10.2023 traf die als Gast anwesende, am 9. Januar 2024 aus dem Amt scheidende Bürgermeisterin, Urte Steinberg, letzte Vorbereitungen zur Bürgermeisterwahl.

Der 07.10.2023 sei aber auch das Datum eines brutalen Angriffs der Hamas auf die israelische Zivilbevölkerung, der rund 200 Menschen zum Opfer fielen. Daraufhin habe Israel Gaza mit Bomben angegriffen und laut Hamas 10.000 Menschenleben ausgelöscht, diese Zahl sei aber nicht bestätigt.

Der Kreistag verurteile die brutalen Taten der Hamas, so Ahrens und anerkenne Israels Recht auf Selbstverteidigung. Gleichzeitig müsse es aber Kampfpausen geben, in denen humanitäre Hilfe möglich werde. Man sehe mit großer Beunruhigung auf die Demonstrationen in unserem Land, in denen zum Teil lautstark der Tod von Juden gefordert werde. „Wer das tut, hat in Deutschland nichts zu suchen“, so Ahrens. Der Kreistag dulde keine Gewaltaufrufe auf seinem Boden. „Das Existenzrecht Israels ist für uns unverhandelbar. Wir stehen solidarisch an der Seite Israels.“

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Kreistag und Kreisverwaltung planen ein Sommerfest für den 12. Juli 2024. „Wo es stattfinden soll und was im Einzelnen geplant ist, wie es ablaufen soll, das alles wissen wir jetzt noch nicht“, so Ahrens, „aber es wird stattfinden.“

Die amtierende Bürgermeisterin Pinnebergs erhielt nun im Rahmen von TOP Ö 4, Fragestunde für Einwohner, die Gelegenheit zu einer kurzen Dankesrede an den Kreistag, der, so war zu vermuten, heute (08.11.2023) mit höchster Wahrscheinlichkeit die Absenkung der Kreisumlage für Städte und Gemeinden um 1,9% beschließen werde. Dies sei für die Städte und Gemeinden eine lange gewünschte Erleichterung und finanzielle Entlastung, daher noch einmal ihr ausdrücklicher Dank an alle an diesem Beschluss Beteiligten, dem Fachdienst Finanzen der Kreisverwaltung, dem Finanz- und Hauptausschuss und den Fraktionen, die nach langen Beratungen nun den Weg frei gemacht hatten.

Die Tagesordnungspunkte Ö 5 sowie Ö 6 und seine Unterpunkte wurden ohne Aussprache einstimmig angenommen.

Dann wurde es wieder spannend. Tagesordnungspunkt Ö 7, Wahl eines Ausschussvorsitzenden des Jugendhilfeausschusses; Antrag der AfD-Fraktion war zu behandeln. Die Frage, die wir drei interessierten, beobachtenden Bürger und Mitglieder unserer Partei, dieBasis, uns stellten, war nicht, ob der von der AfD-Fraktion erneut aufgestellte Kandidat, Burghard Schalhorn, gewählt werden würde oder nicht. Das Ergebnis stand bereits fest: Er würde nicht gewählt werden, da waren wir uns sicher. Inzwischen kennen wir die Damen und Herren Kreistagsabgeordneten so gut, dass wir ihr Wahlverhalten zumindest in diesem Punkt zuverlässig prognostizieren können. Spannender war die Frage, ob Schalhorn auch diesmal von seinem Recht Gebrauch machen würde, eine Bewerbungsrede zu halten. Er tat es.

Zuvor sei noch erwähnt, dass Kreispräsident Ahrens von einer kontroversen Beratung des Ältestenrates berichtete, in der es um die Zulässigkeit der Anträge der AfD-Fraktion zur Tagesordnung des Kreistags ging, in denen die Vorschläge zu den Wahlen des Vorsitzenden des Jugendhilfeausschusses sowie des stellvertretenden Vorsitzenden des Ausschusses für Schule Kultur und Sport enthalten waren. Darin hatte die AfD-Fraktion wie folgt formuliert:

Sehr geehrter Herr Kreispräsident,

der Vorschlag für den, nach Sainte-Laguë/Schepers (Höchstzahlverfahren), der AfD-Fraktion zustehenden Ausschussvorsitz des Jugendhilfeausschusses ist:

  • Herr Burghard Schalhorn

und:

Sehr geehrter Herr Kreispräsident,

der Vorschlag für den, nach Sainte-Laguë/Schepers (Höchstzahlverfahren), der AfD-Fraktion zustehenden stellvertretenden Ausschussvorsitz des Ausschusses für Schule Kultur und Sport ist:

  • Herr Lars Ole Carstens

Nach dem oben erwähnten Verfahren wird die Besetzung von Parlamenten (Bundestag und Landtage) in einem weitgehend fairen Schlüssel berechnet, um den Wählerwillen bei der Abstimmung möglichst präzise in der Zahl der den Parteien zugewiesenen Sitze abzubilden. Nach diesem Schlüssel stehen der AfD-Fraktion die oben aufgeführten Posten des Ausschussvorsitzenden und des stellvertretenden Ausschussvorsitzenden im Pinneberger Kreistag zu.

Darauf macht die Fraktion in ihrem Schreiben aufmerksam. An sich nichts Besonderes, wenn man einmal von der allseits bekannten Sondersituation in Deutschland beim Umgang der etablierten Parteien mit der AfD absieht.

Die scheint man selbst in der Kreisverwaltung, die in politischen Einschätzungen und ihrem Handeln neutral zu sein hat, nicht als das Problem wahrnehmen zu wollen, das es – nimmt man demokratische Prinzipien ohne Ansehen der Personen oder politischen Ausrichtungen ernst – eigentlich ist.

Den Hinweis der AfD-Fraktion, dass ihr die oben genannten Posten gemäß dem für die Verteilung der Ausschusssitze im Deutschen Bundestag bereits 1980 eingeführten Verfahren zustehen, fasst Frau J. Frehse vom Fachdienst Recht der Kreisverwaltung als das durch die AfD-Fraktion beanspruchte Recht auf, „über die Person des (stellvertretenden) Ausschussvorsitzenden zu bestimmen“. Diese Rechtsauffassung (der AfD-Fraktion) sei, so Frehse in ihrem Schreiben an die Kollegin in der Stabsstelle Politik, Frau Kosmol, „nach meiner Rechtsauffassung falsch, da der AfD-Fraktion lediglich das (unentziehbare) Vorschlagsrecht für diese beiden zu besetzenden Posten zusteht“. „Entgegen der Auffassung der AfD-Fraktion“ benötige es für die zu besetzenden Stellen jedoch „eine (freie) Wahl des Kreistages“.

Daher seien die vorgelegten Anträge der AfD-Fraktion „vom Kreispräsidenten so nicht zur Abstimmung zu stellen“, weil sie die – nach Auffassung des Fachdienstes Recht – falsche Aussage enthalten, die zu wählenden Posten stünden der AfD-Fraktion zu. Zwar müsste über die vorgeschlagenen Personen abgestimmt werden, aber nicht über den Zusatz, diese Posten stünden der AfD-Fraktion zu.

Kommentar

Aus meiner Sicht handelt es sich bei dem Zusatz der AfD-Fraktion, die Posten der Ausschussvorsitzenden bzw. Stellvertreter, stünden ihnen nach dem für die Verteilung der Ausschusssitze im Deutschen Bundestag seit 1980 praktizierten Verfahren zu, lediglich um eine freundliche Erinnerung an die diese Anträge zur Kenntnis nehmenden Kreistagsabgeordneten. Diese Erinnerung kann man als Einschub, der selbstredend nicht zum eigentlichen Antrag gehört, und daher keinerlei Rechtsbindung beansprucht, auffassen. Meiner Ansicht nach war er genauso gedacht und man hätte ihn so werten können.

Das Schreiben von Frau Frehse enthält aus meiner Sicht hingegen die (zumindest insinuierte) Falschaussage, Auffassung der AfD-Fraktion sei es, sie könne die Besetzung der Posten bestimmen, anstatt sie, wie es § 41 Abs. 5 S. 1 der Kreisordnung für Schleswig-Holstein (KrO SH) vorschreibt, zu wählen.

Mit Verlaub, das halte ich für eine übelmeinende Unterstellung, die offenbar einige in der Kreisverwaltung teilen, und so, wie ich diese Fraktion mittlerweile kennengelernt habe, nie gedacht war.

Die Tatsache, dass der Ältestenrat darüber und die Frage, ob die Anträge so zur Abstimmung gestellt werden könnten, beraten und es so belassen hat, ist für mich ein Indiz, dass man offenbar zwischen tatsächlicher und von Seiten der Kreisverwaltung unterstellter Absicht und Rechtsauffassung der AfD-Fraktion im Ältestenrat zu unterscheiden wusste.

Noch ein abschließender Gedanke:

In diesem Fall haben sich mindestens 2 Personen aus der Kreisverwaltung politisch nicht neutral verhalten und ihre persönlichen politischen Vorlieben oder vielmehr Abneigungen in ihre Arbeit einfließen lassen. Wie sonst ist die der AfD-Fraktion unterstellte Absicht zu erklären, diese wolle über die hier in Rede stehenden Personen „bestimmen“, anstatt sie, wie es die Kreisordnung SH vorschreibt, wählen zu lassen?

Gut, dass sie damit nicht durchkamen.

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Die Anträge waren also angenommen worden, in denen die AfD-Fraktion sowohl ihre Kandidaten benannt als auch die Ergänzung der Tagesordnung um die vorgeschlagene Reihenfolge zur Wahl und Bewerbungsrede ihrer Kandidaten erbeten hatte. Auch die Bewerbungsreden der vorgeschlagenen Kandidaten waren zulässig, so hatte es der Ältestenrat abschließend verbindlich festgestellt.

Zuerst war der Kandidat Burghard Schalhorn an der Reihe. Er bewarb sich um den Posten des Vorsitzenden des Jugendhilfeausschusses. Ahrens fragte ihn, ob er vor dem Wahlgang eine Bewerbungsrede zu halten wünsche. Dies bejahte Schalhorn.

Auch diesmal sprach er zuweilen recht unverständlich, und auch an diesem 8. November 2023 war seine holprige Rede von allerlei Unruhe und Wanderungsbewegungen einiger Abgeordneter begleitet, was wiederum einiges Gemurmel mit entsprechend ablenkendem Geräuschpegel verursachte.

Schalhorn monierte auch diesmal den Umgang mit einer Partei, der doch immerhin 10% der Wähler ihre Stimme gegeben hatten, wies auf seinen jahrelangen Vorsitz im Wirtschaftsausschuss hin, in denen er sein Amt gewissenhaft ausgefüllt habe und wo es in all der Zeit nie zu Klagen gekommen sei. Im Gegensatz dazu zweifele er manchmal an der Neutralität des Herrn Kreispräsidenten. Dann zitierte er einen Spruch, der (fälschlicherweise) Kurt Tucholsky zugeschrieben wird:

Toleranz ist der Verdacht, der andere könnte recht haben. Intoleranz ist die Angst, der andere könnte recht haben.

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Anmerkung:

Dieses weit verbreitete Zitat ist in den Schriften Tucholskys nicht zu finden. Es wird als „altes deutsches Sprichwort“ laut Google books 1986 das erste Mal erwähnt, taucht um 1990 als anonymes Graffito in Deutschland auf, und wird erst im 21. Jahrhundert, (…), fälschlich Kurt Tucholsky zugeschrieben.

Möglicherweise stammt es von dem amerikanischen Soziologen Louis Wirth (*1897 + 1952): „Tolerance is the suspicion that the other fellow might be right.“

Quelle: https://falschzitate.blogspot.com

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Der Bürger habe für das, was hier geschieht, keinerlei Verständnis, so Schalhorn weiter. Wenn er auch heute wieder nicht gewählt werde, werde er nicht tot umfallen.

Inzwischen kamen jene Abgeordneten, die gleich zu Beginn seiner Rede den Saal verlassen hatten, wieder herein, meist mit Cola- oder Wasserflaschen ausgestattet und verursachten erneut einen gewissen Geräuschpegel und einige Unruhe. Dies nahm Schalhorn zum Anlass, seine Rede um die Bemerkung zu erweitern, der Kreispräsident hätte doch wenigstens ein Wort über den mangelnden Anstand derjenigen Abgeordneten verlieren können, die dem Redner noch nicht einmal für diese kurze Zeit zuhören wollten und nach draußen gegangen seien.

Ahrens wollte dies nicht weiter kommentieren und ließ diese Worte Schalhorns demonstrativ „einfach so stehen“. Dann wurde gewählt, und zwar auch diesmal wieder in offener Abstimmung mit Stimmkarte.

Hier das Ergebnis:

Abgestimmt haben nach meiner Wahrnehmung 65 Kreistagsabgeordnete (2 von insgesamt 67 Kreistagsabgeordneten fehlten entschuldigt).

Auf Burghard Schalhorn entfielen im 1. Wahlgang

  • 5 Ja-Stimmen (AfD),
  • 52 Nein– Stimmen (CDU, SPD, Grüne und die 2 fraktionslosen Abgeordneten der Linken), bei
  • 8 Enthaltungen (1 AfD, 6 FDP und 1 dieBasis).

Damit war er in diesem 1. Wahlgang nicht gewählt.

Auf Nachfrage durch den Kreispräsidenten wünschte die AfD-Fraktion einen zweiten Wahlgang. Ergebnis:

  • 5 Ja (AfD),
  • 53 Nein (CDU, SPD, Grüne, 1 FDP und die 2 fraktionslosen Abgeordneten der Linken) und
  • 7 Enthaltungen (1 AfD, 5 FDP und 1 dieBasis).

Damit war Burghard Schalhorn auch in diesem 2. Wahlgang nicht gewählt.

Ein dritter Wahlgang kam nicht zustande, da die AfD-Fraktion darauf verzichtete.

Der einzige Wahlgang zum stellvertretenden Vorsitzenden des Ausschusses für Schule, Kultur und Sport verlief sehr rasch und unkompliziert. Der Kandidat der AfD-Fraktion, Lars Ole Carstens, verzichtete auf eine Bewerbungsrede, und so konnte der Kreispräsident ohne Umschweife die Wahl aufrufen. Das Ergebnis:

  • 5 Ja-Stimmen (AfD),
  • 54 Nein-Stimmen (CDU, SPD, Grüne, 2 FDP und die 2 fraktionslosen Abgeordneten der Linken, bei
  • 6 Enthaltungen (1 AfD, 4 FDP und 1 dieBasis).

Damit war auch Lars Ole Carstens nicht gewählt.

Für die Richtigkeit der oben gemachten Angaben kann ich keine Garantie übernehmen; bei Vorliegen des offiziellen Protokolls inklusive der endgültigen Wahlergebnisse werden die Zahlen ggf. aktualisiert bzw. korrigiert.

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In Tagesordnungspunkt Ö 10 und Ö 10.1, Taxentarifordnung für Helgoland, hat die Fraktion der CDU ihren Antrag zu den Entgelttarifen zurückgezogen, da die Landrätin in ihrer vom Land zugewiesenen Zuständigkeit eine Kreisverordnung über Beförderungsentgelte für den Gelegenheitsverkehr mit Taxen auf Helgoland erlassen und dem Kreistag vorgelegt hat. Daraus geht u. a. hervor, dass die Taxen auf Helgoland auf die Anbringung sichtbarer Fahrpreisanzeiger verzichten können. Die von der Landrätin dem Kreistag vorgelegte Verordnung wurde durch diesen zur Kenntnis genommen. „Ein Beschluss durch den Kreistag ist nicht vorgesehen.“, heißt es in der entsprechenden Mitteilung (oben verlinkt).

Die Tagesordnungspunkte Ö 11 bis Ö 17 wurden in routiniert zügiger Abfolge abgesetzt, vertagt oder die jeweiligen Beschlussvorlagen angenommen, sodass man rasch zu einem Schwerpunkt der Kreistagssitzung kommen konnte, nämlich den abschließenden Beratungen und der Verabschiedung des Nachtragshaushalts 2023/2024.

Eröffnet wurde die Aussprache durch die Landrätin, Elfi Heesch, die zur Situation der Unterbringung von Flüchtlingen im Kreis Pinneberg Stellung nahm bzw. Auskunft gab. Mittlerweile habe ja auch die Presse über dieses Thema berichtet, sodass nun von Seiten der Kreisverwaltung etwas dazu gesagt werden könne. Als erstes betonte Heesch, das Land beteilige sich an der Finanzierung der Unterbringung der hauptsächlich aus der Ukraine kommenden Flüchtlinge. Auf diese sei in erster Linie die dazu erlassene Richtlinie ausgerichtet. Dennoch seien mit dieser Richtlinie ebenfalls Asylbewerber aus anderen Ländern erfasst. Ihre Zahl sei nach wie vor hoch und der Kreis vor die Aufgabe gestellt, sie alle unterzubringen. Die dafür in den Entwürfen veranschlagte Summe belaufe sich insgesamt auf 6,2 Mio €, und die vom Land zugesagten Zuschüsse belaufen sich für 2024 auf 3,3 Mio € und für 2025 auf 1,71 Mio €.

Dies nahm der Kreistag zur Kenntnis, ohne darüber weiter zu diskutieren.

Stattdessen war es den Rednern aller im Kreistag vertretenen Fraktionen ein Anliegen, sich bei den an den Haushaltsberatungen Beteiligten für ihre konstruktiven Beiträge zu bedanken und die Arbeit des Fachdienstes Finanzen der Kreisverwaltung gebührend zu würdigen. Die Zuwanderungsbehörde war in den Haushaltsberatungen bevorzugt behandelt und mit entsprechender finanzieller Ausstattung bedacht worden. Begrüßt wurde die Einigung auf die Senkung der Kreisumlage um 1,9%, was zu einer Entlastung der Kommunen führen werde.

Insgesamt waren vor allem CDU, SPD und Grüne voll des Lobes für das gemeinsam Erreichte, wobei Hans-Peter Stahl, Fraktionsvorsitzender der SPD, es sich nicht verkneifen konnte, anzumerken, er mache drei Kreuze nach der heutigen Sitzung und wünsche mit dem Thema Finanzen in nächstgelegener Zeit vorerst nicht weiter behelligt zu werden.

Etwas irritiert war ich von seiner Äußerung und seinem Appell, man möge den politischen Mitstreiter nicht als Feind ansehen oder gar so behandeln. „Wir müssen achtgeben, dass der ohnehin schwindende Vertrauensverlust in Politik und die staatlichen Institutionen nicht weiter anwächst“, so Stahl. Der Klimaschutz sei auf den Weg gebracht, aber die Entwicklung der Zahlen weiter nach Deutschland einwandernder Flüchtlinge unklar. Daher müsse die Zuwanderungsbehörde auch in Zukunft „gut aufgestellt“ sein und bleiben.

Der Sprecher der AfD bemängelte die Senkung der Landesmittel um immerhin 32 Mio €, während gleichzeitig die Kreisumlage für Städte und Gemeinden gesenkt wurde. Auch dass die Beschlussvorlagen für die jeweils anstehenden Finanzberatungen oft erst kurzfristig zur Verfügung stünden, habe die Arbeit und die Beratungen innerhalb der Fraktionen nicht erleichtert, und teilweise angesichts der äußerst knappen Zeit annähernd unmöglich gemacht.

Der Sprecher der FDP schließlich schloss sich der Kritik an der Senkung der Landesmittel bei gleichzeitiger Senkung der Kreisumlage an. Dies greife die Rücklagen des Kreises an. Angesichts dieser Sachlage müsse die Frage nach der Sinnhaftigkeit von Investitionen z. B. in Verkehrsschilder für Fahrradwege erlaubt sein.

Nach diesen Wortbeiträgen (die fraktionslosen Abgeordneten der Linken und der Basis hatten auf eigene Reden verzichtet) und letzten Anmerkungen bzw. geringfügigen Kritiken aller im Kreistag vertretenen Fraktionen beschloss der Kreistag mit überwältigender Mehrheit sämtliche, einzeln aufgerufenen Unterpunkte des Tagesordnungspunkts Ö 18, und damit den Nachtragshaushalt des Kreises Pinneberg für 2023/2024.

Es folgten noch zwei nichtöffentliche Tagesordnungspunkte, an denen unser Kreistagsabgeordneter Juan Gruben selbstverständlich teilnahm, aber für die drei interessierten Bürger und Mitglieder der Basis endete damit an diesem arbeitsreichen Mittwochabend die letzte Sitzung des Pinneberger Kreistags für 2023.