Der Supertanker in voller Fahrt – Klimaschutz konkret: Northvolt AB plant größten Industriestandort in Schleswig-Holstein

Persönlicher Bericht und Anmerkungen über die Sitzung des Ausschusses für Wirtschaft, Regionalentwicklung und Verkehr vom 12.03.2024

Das Werk kommt – so oder so.

Dr. Harald Georg Schroers, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderungs- und Entwicklungsgesellschaft mbH des Kreises Pinneberg, (WEP) mündlich in der Ausschusssitzung

So, wie es scheint, sind die Weichen endgültig gestellt. Schleswig-Holstein ist auf weltrettender Mission: 3.000 Arbeitsplätze sollen in der neu entstehenden Gigafactory für die Produktion von Lithium Ionen-Batterien für die Elektromobilität im Kreis Dithmarschen geschaffen werden.

Seit Jahren verkündet „die Wissenschaft“ das nahe bevorstehende Weltende durch die unaufhaltsame Erderhitzung, weil der schädliche Faktor Mensch in seiner Unersättlichkeit und Gier nicht aufhört, das klimaschädliche CO2 in steigender Potenz in die Atmosphäre zu blasen. Nur die drastische Reduzierung dieses Weltkillergases kann uns alle vor dem sicheren vorzeitigen Tod bewahren, daher muss u. a. auch das Verbrennerauto von der Oberfläche des Erdbodens verschwinden. Hierfür bietet Elektromobilität den Ausweg: Lithium Ionen-Batterien werden die Menschheit ins neue CO2-neutrale Zeitalter führen, vielleicht kann auf diese Weise die Katastrophe noch gerade so verhindert werden.

Dies, so sagt man uns in allen Kanälen, besonders den öffentlich-rechtlichen, glaubt und praktiziert die ganze Welt, und Deutschland ist hierbei Vorreiter und glänzendes Vorbild. Dass auch unser Bundeswirtschaftsminister in dieser Mission eigens in die USA reiste, um dort größere Anstrengungen im Kampf gegen die Klimakatastrophe anzumahnen – hierbei jedoch von der dortigen politischen Öffentlichkeit nicht zur Kenntnis genommen wurde – sei nur am Rande erwähnt.

Auch andernorts schert man sich um deutsche Weltuntergangsängste recht wenig, namentlich in den wirtschaftlich aufstrebenden Einwohnergiganten Indien und China. Letzterer steigerte seine Emissionen an CO2 von knapp 2.500.000.000 (2,5 Milliarden) Tonnen im Jahr 1990 auf 11.400.000.000 (11,4 Milliarden) Tonnen im Jahr 2023. Die deutschen Emissionen sanken leicht von rund 1,25 Milliarden Tonnen im Jahr 1990 auf 657 Millionen Tonnen im Jahr 2022. (Angaben laut statista: Deutschland, China)

Während man also in Asien seine Wirtschaft zum Wohl der Bevölkerung ausbaut und dort zu Wohlstand und Zufriedenheit einer immer breiteren Masse beiträgt, scheint man in Deutschland das komplette Gegenteil anzustreben und systematisch am wirtschaftlichen Niedergang zu arbeiten.

Denn dass gleichzeitig mit dem Wegfall fossiler Energieträger (Öl, Gas, Kohle und Uran) die Mobilität auf elektrische Antriebe umgestellt wird, erscheint vor dem zusätzlichen Hintergrund des Ausbaus zeitlich begrenzt Energie liefernder Wind- und Solarkraftwerke als wenig durchdacht.

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Dennoch wird Schleswig-Holstein seinen größten Industriestandort erhalten. Großes erhofft man sich von dieser neuen Gigafactory der Northvolt AB. So jedenfalls klang es aus dem Mund des promovierten Wirtschaftswissenschaftlers und bis zu seinem vorzeitigen Ausscheiden Ende April 2024 alleinigen Geschäftsführers der Wirtschaftsförderungs- und Entwicklungsgesellschaft mbH des Kreises Pinneberg (WEP), Dr. Harald Schroers. Der Wirtschaftsausschuss hatte ihn zu Tagesordnungspunkt Ö 5 Regionalwirtschaftliche Auswirkungen der Northvolt-Ansiedlung zu einem Vortrag und Austausch eingeladen.

Schroers hatte eine PowerPoint-Präsentation mitgebracht, mit deren Hilfe er die zu erwartenden Entwicklungen der Region Westküste bis zum Jahr 2029 darstellte. Der Ausschuss war hauptsächlich an den wirtschaftlichen Aspekten zu Gunsten des Kreises Pinneberg interessiert, weswegen einige sich über die konkreten Zahlen für unseren Kreis im zu erwartenden direkten und indirekten Erfolg etwas ernüchtert zeigten.

Dies wird u. a. im Hinblick auf die „Beschäftigungseffekte“ erkennbar. Hierzu hatte Herr Schroers die Zahlen einer neuen Studie des CIMA Instituts für Regionalwirtschaft im Auftrag der Regionalen Kooperation Westküste mitgebracht. Das CIMA Institut prognostizierte darin die wirtschaftlichen Effekte der Northvolt-Ansiedlung für die vier Kreise der Regionalen Kooperation Westküste (Nordfriesland, Dithmarschen, Steinburg und Pinneberg). Als „direkter Effekt“ entfallen von den für das Jahr 2029 anvisierten 3.000 Beschäftigungsstellen null (0) auf den Kreis Pinneberg. Alle direkten Arbeitsplätze entstehen ausschließlich im Northvolt-Werk im Kreis Dithmarschen. Anders sehen dagegen die Zahlen des „indirekten Effekts“ und des „induzierten Effekts“ aus. Unter dem „indirekten Effekt“ versteht diese Studie im Wesentlichen den Beschäftigungszuwachs bei den Zulieferbetrieben für das Batteriewerk. Die „induzierten Effekte“ sind darüber hinaus die Zuwächse an Aufträgen (Konsumnachfrage) und/oder Arbeitsplätzen im Dienstleistungs- und Infrastrukturbereich durch die Beschäftigten des Batteriewerks und der Zulieferbetriebe. Hier werden insgesamt weitere 8.764 neue Beschäftigte erwartet. Insgesamt rechnet die Studie mit einem Zuwachs an Beschäftigten in 2029 von 11.764.

Im Einzelnen sieht das so aus:


NordfrieslandDithmarschenSteinburgPinneberg
indirekter Effekt:1.3003.5651.2511.386
induzierter Effekt:155793149165
Anteil in %12,462,511,913,2

In der Wertschöpfung sieht man ein vergleichbares Zahlenverhältnis. Insgesamt beläuft sich die in der Region Westküste erwartete Wertschöpfung für 2029 auf 942.000.000 €. Beim „direkten Effekt“ geht der Kreis Pinneberg erneut leer aus, da diese ja im Kreis Dithmarschen, dem Werksstandort, stattfindet. Bei dem indirekten und induzierten Effekt sehen die Zahlen wie folgt aus:


NordfrieslandDithmarschenSteinburgPinneberg
indirekter Effekt:98.000.000 €269.000.000 €94.000.000 €105.000.000 €
induzierter Effekt:10.000.000 €51.000.000 €10.000.000 €11.000.000 €
Anteil in %11,565,211,012,2

In Bezug auf erwartbare „fiskalische Effekte“ (Steueraufkommen) sind die Aussichten für den Kreis Pinneberg offenbar nicht zu beziffern. Hier belässt es der Bericht bei einer Auflistung für die „Region Westküste“ (Gewerbesteuer), die „Gemeinden am Standort / Region Westküste“ (Lohnsteuer) und die „Gemeinden am Standort“ (Grundsteuer).

Dies sind die erwarteten bzw. berechneten Steueraufkommen für diese drei Kategorien:

GewerbesteuerLohnsteuerGrundsteuer
„Region Westküste“„Gemeinden am Standort / Region Westküste“„Gemeinden am Standort“
21,7 Mio. €6,6 Mio. €1,8 Mio. €

Aus der Diskussion im Anschluss an Herrn Dr. Schroers’ Ausführungen ist mir in Erinnerung geblieben, dass die Frage nach den positiven fiskalischen Effekten für den Kreis Pinneberg nicht zuletzt auch deswegen schwer zu beantworten ist oder mit prognostizierenden Zahlen unterlegt werden kann, weil vor allem nicht vorhersehbar ist, wo die Beschäftigten des Northvolt-Werks wohnen werden. Zwar seien die Mieten im Kreis Dithmarschen wohl günstig, aber wer von den hauptsächlich jungen Leuten würde in einer solchen ländlichen Region wohnen wollen, ohne die kulturellen und gesellschaftlichen Angebote z. B. der Metropolregion rund um Hamburg? Andererseits – und dies hat mir meine Mitbeobachterin Inge H. zugeflüstert – wer kann die dortigen Mietpreise darstellen? Bliebe vielleicht die Region mittendrin, der Kreis Pinneberg. Da aber Pinneberg nicht der Standort des Werks ist, entfallen Gewerbe-, Lohn- und Grundsteuer, es bleiben allein die Einnahmen aus den indirekten Steuern (Mehrwertsteuer z. B.), die durch die Konsumnachfrage am Wohnort der Beschäftigten generiert werden.

Für die weiteren Einzelheiten der durch Herrn Dr. Schroers vorgetragenen Daten und Zahlen der PowerPoint-Präsentation verweise ich auf folgende im Netz zu findende Original-Dokumente:

Bleibt vielleicht noch nachzutragen, dass unser Abgeordneter, Juan Gruben, auf die Herausforderung hinwies, junge, gut ausgebildete Fachkräfte in unsere Region zu locken. Im Werk selbst würden ja bekanntlich 3.000 qualifizierte Mitarbeiter benötigt, und in den neu anzusiedelnden Zulieferbetrieben und den nachgelagerten Anbietern von Konsumgütern und Dienstleistungen würde es auch eine Nachfrage nach insgesamt 8.764 Beschäftigten geben. Juan Gruben fragte: „Was haben wir all diesen Neubeschäftigten anzubieten?“ Ein weiteres Problem stelle sich durch die notwendigerweise erfolgende Abwerbung der gut ausgebildeten Facharbeiter für die betroffenen Herkunftsregionen in Deutschland. Dieses Problem kenne er auch aus anderen Bereichen der Arbeitswelt.

Die Antwort auf diese Bemerkungen fiel nicht zuletzt auch deswegen aus, weil der Ausschussvorsitzende Torsten Hauwetter gleich im Anschluss weitere Fragen und Diskussionsbeiträge aufrief, sodass Dr. Schroers eher subsumierend erwiderte.

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Kommentar

Alles in allem war die Vorstellung und die anschließende Diskussion ein weiteres Indiz für meine These einer grundsätzlichen Infragestellung der politischen Institution eines Kreistags.

Einerseits ist die Reichweite und Relevanz der politischen Willensäußerung eines Anhängsels einer kommunalen Verwaltungsbehörde (Exekutive) in dem hier zur Rede stehenden Thema von globaler Tragweite faktisch bei Null.

Andererseits sind dessen Entscheidungsspielräume oder gar -befugnisse in der Frage der Ansiedlung einer Batterieproduktionsstätte mit 3.000 Mitarbeitern schlicht nicht vorhanden. Diese Entscheidung wird tatsächlich höheren und anderen Orts getroffen – nämlich auf europäischer Ebene (Freigabe bzw. Genehmigung von Fördergeldern), auf bundesdeutscher Ebene (Bereitstellung der Fördergelder in Höhe von insgesamt 902 Millionen € durch Bund [564 Millionen €] und Land SH [137 Millionen €]) und schließlich auf Gemeindeebene (die Gemeinden Lohe-Rickelshof und Norderwöhrden stimmten der Ansiedelung zu).

Zuständig für die Erteilung der Baugenehmigung ist die Bauaufsichtsbehörde der Kreisverwaltung Dithmarschen. Hierzu bemerkte der Landrat des Kreises Dithmarschen, Stefan Mohrdieck laut manager-magazin.de: „Das ist eine Formalie.“ Die Kreistage der „Region Westküste“ – also namentlich auch der Kreistag Pinneberg – sind nicht entscheidungsbefugt. Sie können allenfalls kommentieren, wohlwollend begleiten und die Bereitstellung und ggf. Verbesserung von Infrastruktur anregen – entscheiden können sie nicht.

Dr. Harald Schroers hatte es sehr treffend auf den Punkt gebracht: „Das Werk kommt so oder so.“

Und schließlich:

Auch wenn das Land Schleswig-Holstein und der Kreis Pinneberg in Bezug auf die Rettung des Weltklimas ehrgeizige Ziele formuliert haben (Reduzierung der Treibhausgasemissionen bis 2040 auf Null), so ist dies in seiner Wirkung auf den Planeten und seine Naturgesetzmäßigkeiten noch nicht einmal der sprichwörtliche Tropfen auf dem heißen Stein. Denn tatsächlich wird die besonders und hauptsächlich in Deutschland herbei fantasierte Klimakatastrophe in anderen Teilen der Welt wesentlich unaufgeregter gesehen. Zu Beginn hatte ich es erwähnt, hier noch einmal zur Erinnerung: China steigerte seine Emissionen an CO2 von knapp 2.500.000.000 (2,5 Milliarden) Tonnen im Jahr 1990 auf 11.400.000.000 (11,4 Milliarden) Tonnen im Jahr 2023. Die deutschen Emissionen sanken leicht von rund 1,25 Milliarden Tonnen im Jahr 1990 auf 657 Millionen Tonnen im Jahr 2022 (Angaben laut statista: Deutschland, China). Allein das Größenverhältnis der Zahlen müsste deutschen Politikern doch Anlass geben, ihre Klimahysterie wenigstens zu überdenken. Ob die Kreispolitik in diesem Zusammenhang ihre nicht vorhandene Wirksamkeitsrelevanz erkennt, ist zweifelhaft.

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Bei den Prüfaufträgen der Grünen zum Fahrplanwechsel ging es um Taktverdichtungen von derzeit 1 auf eine halbe Stunde und um ein besseres Angebot nach Schulschluss, wenn Busse offenbar völlig ausgelastet Schüler an den Haltestellen stehenlassen. Hier wünschten die Grünen Abhilfe und erbaten Auskunft über die finanziellen Auswirkungen.

Dies sei so einfach nicht zu realisieren, war von Seiten der Verwaltung zu hören, die Dinge seien eben doch etwas komplizierter, auch weil andere Beteiligte involviert sind, zum Beispiel bei der Linie 195 Hamburg, das derzeit in gewissen wirtschaftlichen Schwierigkeiten stecke.

Rellingen habe bei Problemen der Linie PI 185 in der Vergangenheit immer zeitnah konkret nachgefragt. Diese Probleme seien hauptsächlich zu Schulbeginn aufgetreten. Bis jetzt aber habe sich noch niemand wegen eventueller Probleme zu Schulschluss gemeldet.

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Passend zum Bericht Dr. Schroers’ über den Bau des Batteriewerks der Northvolt AB gab es von Seiten der Grünen dann noch eine Anfrage zur Erhöhung der E-Mobilität des ÖPNV an die Verwaltung. Anfrage und die Antwort der Verwaltung gebe ich unten im Wortlaut wieder, da die entsprechende Diskussion im Ausschuss keine darüber hinausgehenden neuen Erkenntnisse zutage gefördert hat.

Hier die Anfrage der Grünen:

„Welche Maßnahmen können seitens des Kreises Pinneberg ergriffen werden, um bei den derzeitigen ÖPNV-Leistungserbringern und bei Fahrten im Kreis Pinneberg mehr E-Mobilität einzufordern bzw. aufzubauen?“

Und hier die etwas umständliche Antwort der Verwaltung:

„Der erste Schritt ist die Aufstellung einer entsprechenden E-Transformationsstrategie, was im 5. RNVP bereits umgesetzt wurde (vollständige E-Transformation bis 2032).

Der zweite Schritt ist die Umsetzung der E-Transformation selbst.

Da E-Busse inkl. Ladeinfrastruktur trotz Förderung nach wie vor spürbar teurer als D-Busse sind, bedarf jede Maßnahme zur E-Transformation eines mit entsprechenden Mitteln hinterlegten Beschlusses des Kreises Pinneberg. Dies geschah bezüglich der VHH zuletzt mit KT-Beschluss über 20 E-Busse vom 27.04.2022 (Umsetzung 2024/2025)). Bezüglich der KViP erfolgte dies bislang durch vom Kreis Pinneberg politisch mandatierte Gesellschafterbeschlüsse über 7 bereits vorhandene und weitere 27 E-Busse (Umsetzung ab 2025) im Rahmen der jeweiligen Wirtschaftspläne.“

Quelle: PDF-Dokument „Grüne-Anfrage ÖPNV Klimaschutz …“) unter: https://sitzungsinfo.kreis-pinneberg.de

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Unter TOP Ö 8, Sonstiges wollte Volkher Steinhaus (AfD-Fraktion) noch rasch wissen, ob es denn in Zukunft (noch) einmal einen Vortrag zu Wasserstoffantrieben für den ÖPNV gebe. Dies wurde knapp mit „Schauen wir mal….“ beantwortet, und damit ging eine recht interessante, gut einstündige Ausschusssitzung an diesem Dienstagabend zu Ende.

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