Erst die Pflicht, dann die Kür – von der Kunst der Prioritätensetzung

Persönlicher Bericht zur Ausschusssitzung vom 13.02.2024

Wenn es im Ausschuss für Wirtschaft, Regionalentwicklung und Verkehr um

  • Lage und Entwicklung der Unternehmen,
  • Visionen für die Zukunft des Lebensraums der Metropolregion Hamburg,
  • den Zustand der Kreisstraßen,
  • eine Marketingkampagne der Wirtschaftsförderungs- und Entwicklungsgesellschaft des Kreises Pinneberg mbH (WEP),
  • neu zu schaffende Haltestellen und/oder Buslinien des ÖPNV,
  • Standorte für Geschwindigkeitsüberwachungsanlagen (Blitzer),
  • Förderung des Radverkehrs
  • oder um das Protokoll der letzten Sitzung geht,

welchen dieser Punkte würden Sie zuerst, welchen später und welchen zuletzt behandeln?

Ich gebe zu, dass dies eine kleine Fangfrage ist, denn es kommt ja auch darauf an, wie rasch die einzelnen Punkte voraussichtlich abzuarbeiten sind.

Geht das eine kurz und bündig und anderes nimmt absehbar mehr Zeit in Anspruch, würde man doch zuerst das rasch Abzuhandelnde aufrufen, gleich danach aber die wichtigen und zum Schluss diejenigen Tagesordnungspunkte, auf die man nötigenfalls vorerst verzichten könnte, sollte der Zeitrahmen allzu sehr ausgedehnt werden.

Auf diese pragmatische Vorgehensweise hat der Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses, Torsten Hauwetter (CDU), verzichtet und stattdessen die schon feststehende Tagesordnung beibehalten. Vielleicht hat er das im Nachhinein bereut, denn gleich nach Festlegung der Regularien und Feststellung der Beschlussfähigkeit des Ausschusses kam es bei der Annahme der Niederschrift bzw. des Protokolls der Ausschusssitzung vom 16.01.2024 zu unerwarteten Verzögerungen. Zwar gab es bereits im Vorwege die schriftliche Eingabe der AfD-Fraktion, die Änderungen des Wortlauts im Protokoll beantragt hatte:

Quelle: ALLRIS, PDF-Dokument ‚Änderungsantrag Herr Schalhorn […]‘

Wer aber hätte ahnen können (oder hätte man es ahnen müssen?), dass Schalhorn die Frage des Vorsitzenden, ob er dazu noch etwas sagen wolle, nur zu gern mit einer ausführlichen Wiederholung des im Änderungsantrag bereits Geschilderten beantworten würde? Wenn schon ein Protokoll angefertigt würde, so Schalhorn, dann bitte er doch darum, dort das wiederzugeben, „was ich gesagt habe“. Man wolle mit der IHK ins Gespräch kommen, um Lösungen für die katastrophale Situation der Wirtschaft zu beraten. Wörtlich: „Die Probleme sind wirklich groß – bis unter die Decke.“ Und daher habe seine Fraktion diesen Antrag gestellt und es auch so mündlich vorgetragen. Daher bitte auch genau so festhalten.

Dem entgegnete der Vorsitzende, es gebe kein Anrecht, in einer bestimmten Weise zitiert zu werden. Die Protokollführerin könne es so aufzeichnen, wie sie es dem Sinn nach aufgefasst habe. Und er selbst könne sich nicht mehr an den genauen Wortlaut erinnern.

Lukas Unger (Grüne), stellvertretender Ausschussvorsitzender, meinte sich zu erinnern, dass der Wortlaut des Protokolls korrekt sei. Und aus der SPD hieß es, man werde den Antrag der AfD ablehnen, da es unerheblich sei, was im Einzelnen gesagt wurde.

Schalhorn empörte sich und beschwerte sich über die Art des Umgangs mit seiner Fraktion. Alles werde abgelehnt, nur weil es von der AfD komme. Außerdem sei er schließlich nicht senil, er könne sich ganz genau erinnern, dass er es nicht so gesagt habe, wie es im Protokoll steht. Auch habe er jahrelange Erfahrung in den Ausschüssen des Kreistags.

Es half alles nichts. Der Änderungsantrag der AfD-Fraktion wurde gegen die 1 Stimme des Ausschussmitglieds der AfD-Fraktion, Volkher Steinhaus, abgelehnt. Übrigens ist Burghard Schalhorn kein Mitglied des Wirtschaftsausschusses.

*

Letztlich war der Bitte der AfD-Fraktion dann doch insoweit entsprochen worden, als im nächsten Tagesordnungspunkt Ö 5, Austausch zur wirtschaftlichen Situation im Kreis Pinneberg,wenigstens der Leiter der IHK Geschäftsstelle Elmshorn, Dr. Paul Raab seinen Konjunkturbericht IHK Schleswig-Holstein III/2023 vortrug.

Vom Unternehmensverband Unterelbe-Westküste e. V. (UVUW) war hingegen niemand eingeladen worden, obwohl es dazu eine Vorlage dieses Verbands auf ALLRIS gibt. Zu finden ist ein PDF-‚Vorlage-Sammeldokument‘, das u. a. die „Presseinfo UVUW zur Wirtschaftslage“ enthält.

Im Wesentlichen geben beide Unternehmensvertreter ein vergleichbares Stimmungsbild der Konjunkturlage in Schleswig.Holstein ab.

An der Erhebung des UVUW nahmen 156 der insgesamt rund 400 Unternehmen dieses Verbands teil, im Kreis Pinneberg beteiligten sich 36 Unternehmen.

Lieferengpässe und damit Knappheit an Material und Rohstoffen gab es hauptsächlich in den Jahren 2021 (61,64% der Unternehmen waren davon betroffen) und im Sommer 2022 (70,37%) Dieser Wert habe sich zum Winter 2023 deutlich verbessert, die Lage wesentlich entschärft. Von den Lieferengpässen waren zu diesem Zeitpunkt lediglich noch 13,89% der Unternehmen betroffen.

Ganz anders die Lage der Beschäftigten (Personal und Fachkräfte):

„Erstmals seit langer Zeit haben mehr Unternehmen den Personalbestand verkleinert (25%) und ihn nicht erhöht (14%).“ (Quelle Grafiken und Zitat: Presse-Information UVUW, hinterlegt im PDF-‚Vorlage-Sammeldokument‘ auf ALLRIS.)

Dr. Paul Raab, Leiter der IHK Geschäftsstelle Elmshorn trug im Wesentlichen ähnliche Daten zur Entwicklung besonders auch des allgemein beklagten Fachkräftemangels vor. Gegenstand seiner anhand einer PowerPoint-Präsentation vorgetragenen Unternehmensdaten waren die sich abschwächende Konjunktur, die nachlassende Auftragslage und die gedämpften Erwartungen für die kommende Zeit. Aber auch in der IHK beklagt man den Fachkräftemangel und sucht, ähnlich wie beim UVUW, das Heil in noch mehr Zuwanderung, namentlich auch aus Staaten außerhalb der Europäischen Union.

An dieser Stelle beispielhaft einige Grafiken der IHK Schleswig-Holstein:

Neben den zum Teil drastisch gestiegenen Energie- und Rohstoffpreisen stellte der Fachkräftemangel eines der höchsten Zukunftsrisiken („Geschäftsrisiken“, s. unten stehende Grafik) dar. Dadurch könnten offene Stellen nicht besetzt werden. Dies führe zu Mehrbelastungen der Belegschaften und steigenden Arbeitskosten. „Häufig müssen die Betriebe ihr Angebot einschränken oder einen Auftragsverlust hinnehmen.“, so nachzulesen auf der Webseite der IHK SH (oben verlinkt). Einen Ausweg sucht man, wie oben bereits erwähnt, im Fachkräftezuzug vor allem auch aus dem außereuropäischen Ausland.

Über das große Geschäftsrisiko des Fachkräftemangels entspann sich dann auch die Diskussion mit den Abgeordneten, auch weil Dr. Raab von Unternehmen berichtete, die auf erhebliche bürokratische Hürden bei der Anwerbung von Mitarbeitern aus dem Ausland stießen. Beispielsweise seien Formulare in dreifacher Ausfertigung auszufüllen, ganz so, „als ob wir gar nicht im Computerzeitalter lebten“. Auch müssten Einreisebestimmungen beachtet, Wohnungsnachweise erbracht und Passangelegenheiten und Vieles mehr im Vorwege erledigt werden, bis der gewünschte Arbeitnehmer dann endlich seine Stelle antreten könne. Der Aufwand sei für viele Unternehmen so groß, dass sie dann auf die ausländischen Fachkräfte verzichteten und entweder die Stelle weiterhin unbesetzt ließen oder innerhalb Deutschlands oder der EU weiter suchten. Solange aber die Stellen unbesetzt blieben, die Auftragslage jedoch weiter hoch, bedeute dies erhebliche Mehrbelastungen für die Belegschaften.

Burghard Schalhorn (AfD-Fraktion) beließ es in seiner Anmerkung bei dem Hinweis, man habe heute nichts Neues gehört und bei dem Wort Fachkräfte „rollten sich“ ihm „die Zehennägel auf“. Dann folgte eine eher auf die bundesdeutsche Politik bezogene Bemerkung: „Mit Ideologie und Gendern werden wir den Wohlstand nicht halten können.“ Er habe eher das Gefühl, „dass wir hier in einer Blase leben“.

Die übrigen Abgeordneten erörterten zusammen mit dem Referenten, wie sonst dem Fachkräftemangel begegnet werden könnte. Ein Weg sei sicher auch die Anwerbung unserer jungen Leute, die noch zur Schule gingen. Hier gebe es Angebote der IHK, die Schulen zu besuchen und mit in der Ausbildung stehenden Lehrlingen praxisnahe Begegnungen zu organisieren. Dazu gehörten auch Betriebsbesichtigungen, bei denen die Schüler in die Arbeitswelt hineinschnuppern können. Frau Dr. Mai von den Grünen sprach auch die Vereinbarkeit von Beruf bzw. Ausbildung und Kindererziehung an. Häufig seien Kitas zu den möglichen Arbeitszeiten der Eltern geschlossen, dies verhindere die Aufnahme der Berufstätigkeit. Hinter arbeitszeitgerecht geöffneten Kitas stecke auch in letzter Konsequenz Wirtschaftsförderung.

Eine weitere Frage befasste sich mit der Attraktivität Deutschlands als Zielort für Einwanderer. Ob denn Ausländer überhaupt kommen wollten, wenn man die allgemeine politische Lage in Deutschland betrachte, lautete eine der Fragen. Leider blieb es bei dieser vagen Andeutung und es wurde nicht konkretisiert.

Volkher Steinhaus (AfD-Fraktion) merkte an, dass es doch besser sei, mit einzelnen Unternehmen direkt ins Gespräch zu kommen. Die Zahlen und Statistiken des IHK seien doch eher abstrakt und aus ihnen gehe nicht erfahrbar hervor, wo dem einzelnen Unternehmer der Schuh im Besonderen drücke.

Dem entgegnete Raab, es sei zwar nötig, das Gespräch im Einzelnen zu suchen, seine Institution brauche aber den Querschnitt aller Betriebe, um anhand verlässlicher Daten gegenüber der Politik aufzuzeigen, wo akuter Handlungsbedarf (Zuwanderung, Bildung, Kitas, Infrastruktur etc.) bestehe.

Wenn Steinhaus das Gespräch mit einzelnen Unternehmern wünsche, müsse dies hier im Kreis beraten und entschieden werden.

Aus den Reihen der FDP-Fraktion kam der Einwand, das Vorgetragene sei etwas zu unkonkret, da hätte man sich etwas Detaillierteres gewünscht. „Was brauchen die Unternehmen konkret. Welche Art Hilfe wünschen Sie sich von Seiten des Kreises, zum Beispiel im Hinblick auf den Ausbau oder die Verbesserung bei Kitas, dem ÖPNV oder dem Ausbau der Digitalisierung?“

Raab wich etwas aus. Wenn Unternehmer auf ihn zukämen und ihm sagten, wo ihnen ganz persönlich „der Schuh drückt“, dann seien sie für ihn „alle gleich wichtig“….

Ausführlicher Konjunkturbericht der IHK Schleswig-Holstein III. Quartal 2023

*

Im Tagesordnungspunkt Ö 6, Sachstandsbericht Marketingkampagne derWirtschaftsförderungs- und Entwicklungsgesellschaft des Kreises Pinneberg mbH (WEP), trug die Referentin im Wesentlichen ihr Konzept für eine werbewirksame Selbstdarstellung des Wirtschafts- und Lebensraums Kreis Pinneberg vor. Der Kreis Pinneberg will für die Anwerbung von Arbeitskräften attraktiver werden. Hierzu soll auf allen Ebenen eine umfassende Marketingstrategie entwickelt und entfaltet werden. Eine eigene Webseite soll eingerichtet werden, auf der mit ansprechenden Texten und malerischen Fotos (z. B. des Elbestrandes bei Wedel im Sommer oder mit romantischen, weihnachtlichen Stimmungsbildern „mit Schnee“ die Schönheit und Liebenswürdigkeit dieses Landstrichs gezeigt werden. Es gehe um effektive Kommunikation des Kreises – Kommunikation brauche einen Absender. Die Kampagne solle die Bekanntheit Pinnebergs steigern, freilich nicht unbedingt für die ganze Welt, aber in Deutschland und dem nahen Ausland allemal.

Man wolle Firmen animieren, sich im Kreis Pinneberg anzusiedeln und zu investieren. Daher müssten die Vorteile des „Gesamtstandortes“ herausgestellt und seine Stärken betont werden.

Es folgten weitere Bausteine des Präsentationskoffers, es war die Rede von Farbdesigns und Signatur anstelle eines starren Corporate-Designs, von Website und Content-Hub, in denen Unternehmen auf einen Blick zu sehen bekämen, was Pinneberg zu bieten habe. Weitere Kommunikationssteine führten zu Städten, Gemeinden, der IHK oder der Agentur für Arbeit.

Der Content-Hub enthalte bereits einige Bilder, weitere würden hinzugefügt, und sie alle könnten frei verwendet werden. Auch verschiedene Videoformate würde noch produziert, ein Musterkoffer enthalte eine Mappe und einen Rollup. Alle Formate sollen weiterentwickelt werden.

Veranstaltungen sollen Anbieter und Bewerber zusammenbringen. Auch Familiengeschichten könnten helfen, die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes Kreis Pinneberg zu fördern.

Die Webseite werde nach Klicks auf ihre Erfolge ausgewertet, je nachdem, welche Begriffe am häufigsten aufgerufen werden, ergeben sich Hinweise, in welche Richtung man Anstrengungen der Werbung verstärken müsse.

Zur Überprüfung des Erfolgs würden Befragungen gestartet, Webseiten-Klicks und die Besucherzahlen würden stetig erfasst und ausgewertet.

Dies alles kam nicht nur während der PowerPoint-Präsentation der Referentin, sondern auch im Austausch mit den fragenden Abgeordneten zur Sprache. Leider gab und gibt es keine auf ALLRIS hinterlegte Datei, ob sie später nachgereicht wird, ist nicht bekannt.

Meine Mitbeobachterin, Inge H. fasste das alles recht knapp zusammen: „Pinneberg soll beworben werden.“

Und ein Abgeordneter konnte sich folgendes Bonmot zum Abschluss nicht verkneifen: „50% Werbeausgaben verpuffen, aber wir wissen nicht, welche 50%…“

*

Danach stand ein Tagesordnungspunkt an, der für die Betroffenen wichtig, aber im Hinblick auf seine Realisierung kompliziert war.

  • Ö 7, Antrag des Kreisseniorenbeirats auf Verlängerung der Buslinie 285 und gleich damit zusammenhängend
  • Ö 7.1, Änderungsantrag zum TOP 7 WRV 13.02.2024- Antrag des Kreisseniorenbeirates auf Verlängerung der Buslinie 285″ – Änderungsantrag Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen.

Ortskundige mögen das Problem einschätzen können, besonders auch die Darstellung auf ALLRIS. Die Beschlussvorlage sieht jedenfalls die Ablehnung dieses Antrags wegen praktischer Undurchführbarkeit vor. Dies wird bei durchaus geäußertem Verständnis für die unbefriedigende Situation aus Sicht der Bewohner der Seniorenresidenz Gut Thesdorf im Folgenden sachlich eingehend begründet.

Der Sprecher des Seniorenbeirats äußerte seinen Unmut über diese aus seiner Sicht fachlich nicht nachvollziehbare Entscheidung. Immerhin sei der nächste Kaufmann ca. 1,3 km weit entfernt, und das sei für die oft gehbeeinträchtigten Bewohner nicht zu schaffen.

Als hätten die Grünen die Bedenken und die Frustration vorausgeahnt, gab es von ihrer Seite einen Änderungsantrag mit folgendem Wortlaut:

Der Beschlussvorschlag wird um folgenden Satz aus dem Sachstandsbericht der Verwaltung ergänzt: „Perspektiven zur Schaffung von infrastrukturellen Voraussetzungen für etwaige sinnvolle ÖPNV-Lösungen sollen mit der Stadt Pinneberg ausgelotet werden.“

Quelle: ALLRIS

Im Ausschuss sprangen sie dem Sprecher der Senioren bei und gaben zu, dass die ganze Situation unbefriedigend sei. „Dieser Fleck ist einfach schwierig mit dem Bus zu bedienen“, hieß es, und der Sachbearbeiter der Kreisverwaltung setzte nach, man beschäftige sich nun schon viele Jahre mit „diesem Fleck, diesem schwierigen, komplizierten Dreieck da oben“ (am nördlichen Rand von Pinneberg). Man habe früher schon einmal darüber nachgedacht, die Buslinie 395 an der Kirche vorbeizuführen und darüber mit Rellingen gesprochen – „keine Chance“.

Dies alles führte jedoch nicht zu einer Beschlussänderung, und so musste der Vertreter des Kreisseniorenbeirates letztlich unverrichteter Dinge wieder abziehen. Dies tat er, indem er die Gelegenheit nutzte, mit uns zusammen noch vor Beendigung der Ausschusssitzung den Konferenzraum zu verlassen.

Im kleinen Nachgespräch vor der Tür konnte ich bemerken, dass das Erlebte ihn keineswegs pessimistisch gestimmt hatte, er kenne die Gepflogenheiten in der Kreispolitik seit vielen Jahren. Manchmal müsse man hier und da das persönliche Gespräch suchen, um mit seinem Anliegen auf Dauer erfolgreich zu sein.

*

Die nächsten beiden Tagesordnungspunkte

waren schnell abgehandelt. Beide Anträge wurden einstimmig angenommen.

*

Obwohl im Tagesordnungspunkt Ö 10, Neukonzeption stationäre Geschwindigkeitsüberwachung im Kreis Pinneberg (NsGÜ); hier: Sachstandsbericht zur Umsetzung, die mit einem ausführlichen Sachbericht versehene Beschlussvorlage angenommen wurde, ließen es sich die Herren Abgeordneten nicht nehmen, sie in aller Länge und Breite und mit allen gegebenen und wünschenswerten technischen Details ausgeschmückt zu diskutieren. Jeder der meist selbst autofahrenden ‚Experten‘ konnte Erlebnisse aus seinem Alltag schildern, konnte Frust oder Freude über vorhandene Blitzer hier und da kommentieren oder Anekdoten beisteuern.

Dieses Erzählen und Ausbuchstabieren selbst der unbedeutendsten Details änderte am Ende keinen Jota am Text der Vorlage, keine Änderung wurde vorgenommen, alles blieb so, wie geschrieben und wie es der Fachbearbeiter der Kreisverwaltung ebenfalls mündlich in epischer Breite vorgetragen hatte.

*

So eilte schließlich für mich, der doch an die Fahrtzeiten des ÖPNV gebunden ist, die Zeit dahin, ohne dass die aus meiner Sicht spannenden Tagesordnungspunkte

rechtzeitig aufgerufen werden konnten. Zwar gibt es zu allen dreien jeweils die entsprechend ausführlichen Mitteilungen bzw. (in letzterem Fall) Anfrage der AfD-Fraktion und Antwort der Verwaltung (oben verlinkt), dennoch wäre es durchaus interessant gewesen zu sehen, ob und wie lang jeder einzelne TOP noch beraten und diskutiert wurde.

*

Blieb also noch Ö 11, Straßenzustandsbericht der Kreisstraßen – Vorstellung der Zustandserfassung aller Kreisstraßen aus 2021.

Auch zu diesem TOP lag keine Beschlussvorlage oder Mitteilung vor, es erfolgte ein mündlicher Bericht anhand einer ausführlichen und bebilderten PowerPoint-Präsentation. Gezeigt wurden exemplarisch die Streckenabschnitte einiger Kreisstraßen, die in beklagenswertem Zustand sind. Flickenteppiche zierten sie, notdürftig mit Bitumen minderer Qualität zugedeckte Schlaglöcher waren zu sehen. Der Referent benannte dies alles in entwaffnender Offenheit und zeigte zugleich die Planungen zur Verbesserung dieser Zustände.

Insgesamt waren seine Ausführungen durchaus spannend, nur hätte es als Nachweis und Handlungsempfehlung für den Kreis eben eine schriftlich hinterlegte Dokumentation auch getan. Immerhin soll diese zusammen mit der Niederschrift (Protokoll) dieser Ausschusssitzung nachgereicht werden.

*

Und so endete diese Ausschusssitzung mit der für uns Beobachter eher unbefriedigenden Erkenntnis, dass an diesem Abend die Prioritätensetzung nicht so ganz gelungen war. Rasch Abzuhandelndes wurde nicht an den Anfang gelegt, Unbedeutendes aber sehr wohl und unnötig in die Länge gezogen. Anekdoten stahlen Zeit und hatten Vorrang vor Substantiellem, und was am meisten irritierte: Persönliche Eitelkeiten und Empfindlichkeiten drängten zeitlich gesehen wichtige Anliegen betroffener Bürger beiseite, und diese gingen leer aus, während jene Triumphe für ihr Ego einfuhren.

Auch in den erlauchten Hallen von Politik und höherer Verwaltung geht es zuweilen allzu menschlich zu.

*