Wenn der Amtsschimmel wiehert – Eine Provinzposse

Persönlicher Bericht zur Sitzung des Hauptausschusses und des Ausschusses für Klimaschutz, Umwelt, Sicherheit und Ordnung am 22. und 23.11.2023

In der Woche vom 20.11.2023 sah der Sitzungskalender des Kreistags folgende Termine vor:

  • Mi, 22.11. 18:00 Sitzung des Hauptausschusses Konferenzraum Arboretum
  • Do, 23.11. 18:30 Sitzung des Ausschusses für Klimaschutz, Umwelt, Sicherheit und Ordnung Konferenzraum Arboretum

In dieser Woche nahm Juan Gruben, unser Kreistagsabgeordneter, an der Sitzung des Hauptausschusses am Mittwoch teil, Inge H., Marlies K. und ich waren verhindert. Zur Sitzung des Ausschusses für Klimaschutz, Umwelt, Sicherheit und Ordnung konnten Inge H., Markus H. und ich zugegen sein, Juan Gruben und Marlies K. waren verhindert.

Hauptausschuss

Der öffentliche Teil der Sitzung des Hauptausschusses war diesmal relativ überschaubar, während der nichtöffentliche Anteil erheblich umfangreicher war als sonst.

Zur Sitzung des Hauptausschusses hatte ich vorab folgende Informationen und Vermutungen festgehalten:

Interessant könnte es bei TOP Ö 6, Austausch über Umgang mit Protokolländerungsanträgen hier: Verweis aus dem SGGS, werden.

In der letzten Sitzung des Ausschusses für Soziales, Gesundheit, Gleichstellung und Senioren (SGGS) hatte es dazu eine lebhafte Diskussion besonders zwischen Burghard Schalhorn (AfD-Fraktion) und dem Ausschussvorsitzenden Hans-Peter Stahl (SPD-Fraktion) gegeben, die ich im letzten Kreistagsbericht skizziert hatte.

In TOP Ö 8. Beteiligungsbericht gem. § 40c Kreisordnung, geht es um den Bericht der Landrätin über die Beteiligungen von Politik und Verwaltung an den auf Wirtschaftlichkeit ausgerichteten Unternehmen der öffentlichen Daseinsvorsorge – also des öffentlichen Personennahverkehrs, der Abfallentsorgung, der Gesundheitsversorgung und der Wirtschaftsförderung.

Aller Voraussicht nach wird dieser auf ALLRIS hinterlegte, insgesamt 68 Seiten umfassende Bericht in der Sitzung lediglich zur Kenntnis genommen – nicht zuletzt auch deswegen, weil er sich u. a. auch an „interessierte Leser“ aus der Öffentlichkeit richtet.

Danach folgt der nichtöffentliche Teil, dessen TOPs ebenfalls im ALLRIS-Kalender aufgelistet sind.

Wie gesagt, waren das Vorab-Informationen und Vermutungen. Zum tatsächlichen Verlauf der Sitzung verweise ich zum einen auf die im ALLRIS-Kalender zu findenden Tagesordnungspunkte und Beschlussvorlagen sowie auf die Niederschrift der Sitzung des Hauptausschusses (Protokoll), die zeitnah hier als Link zur Verfügung stehen wird.

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Ausschuss für Klimaschutz, Umwelt, Sicherheit und Ordnung

Gleich zu Beginn wurde die Tagesordnung zugunsten von Frau Koppelmann, Fachdienstleiterin für Straßenverkehr (FD 24) geändert, da sie nur für den Beginn der Sitzung teilnehmen konnte.

Bei der Verpflichtung von bürgerlichen Mitgliedern (Ö 2) gab es dieses Mal die Kuriosität, dass das „auf die gewissenhafte Erfüllung der Obliegenheiten“ verpflichtete bürgerliche Mitglied, Burkhard E. Tiemann (CDU), dem Ausschussvorsitzenden, Mathias Schmitz (Grüne) textlich auf die Sprünge helfen musste, da dieser offenbar den genauen Wortlaut vergessen hatte. Tiemann sagte Schmitz also etappenweise die Verpflichtungsformel vor, die dieser eigentlich hätte vortragen müssen: „So musst du das sagen und dann bitte auch den ganzen Satz.“ Das war die Anweisung, die der Ausschussvorsitzende erhielt und befolgte.

Vor Eintritt in die geänderte und beschlossene Tagesordnung stellte sich der neue Fachdienstleiter für Umwelt, Herr von Thun vor. Er bot den anwesenden Abgeordneten an, stets für ihre Fragen und Anregungen zur Verfügung zu stehen, „gerne auch auf ein Tässchen Kaffee…“ und freute sich auf die Zusammenarbeit.

Danach ging es unmittelbar in medias res zu den TOPs Ö 7, Ö 8 und dem Unterpunkt zu Ö 9, Mitteilungen und Anfragen, nämlich Ö 9.1, Kreisverordnung: Taxentarifordnung für Helgoland Sachstandsmitteilung AfKUSO (Ausschuss für Klimaschutz, Umwelt, Sicherheit und Ordnung). Alle drei wurden en bloc behandelt, darin eingeschlossen waren Empfehlungen der Fraktionen von SPD und CDU, die sich ihrerseits lediglich in Nuancen unterschieden. Dazu gleich mehr.

Zuerst muss es in diesem Bericht um die Darstellung der Rechtslage gehen.

Zugrunde liegt der gesamten Diskussion um den Taxibetrieb auf Helgoland das Personenbeförderungsgesetz (PBefG) und hier ganz besonders § 51 Beförderungsentgelte und -bedingungen im Taxenverkehr. Das Personenbeförderungsgesetz regelt „die entgeltliche oder geschäftsmäßige Beförderung von Personen mit Straßenbahnen, mit Oberleitungsomnibussen (Obussen) und mit Kraftfahrzeugen“ (§ 1 Absatz 1 Satz 1), und für unsere Betrachtung besonders interessant, „Kraftfahrzeuge im Gelegenheitsverkehr“ (§ 2 Absatz 1 Satz 4).

Was sind „Kraftfahrzeuge im Gelegenheitsverkehr“?

Hier hilft § 46 weiter: „Gelegenheitsverkehr ist die Beförderung von Personen mit Kraftfahrzeugen“ außerhalb des in den §§ 42, 42a, 43 und 44 aufgeführten und geregelten Linienverkehrs – der uns hier jedoch nicht weiter zu interessieren braucht. Eine Form dieses Gelegenheitsverkehrs ist ausdrücklich der Verkehr mit Taxen, dem ein eigener Paragraph gewidmet ist, nämlich § 47. In diesem (Absatz 3 Satz 1 u.2) sowie in § 51 Absatz 1 Satz 1 u. 2 wird „die Landesregierung […] ermächtigt, durch Rechtsverordnung Beförderungsentgelte und -bedingungen für den Taxenverkehr festzusetzen“. Diese Rechtsverordnung kann Regelungen z. B. über „Grundpreise, Kilometerpreise und Zeitpreise sowie Festpreise für bestimmte Wegstrecken“ vorsehen.

Nun kommt die wesentliche Aussage zur auch auf den Kreis Pinneberg – zu dem Helgoland bekanntlich gehört – anzuwendenden Rechtslage:

Die Landesregierung kann die Ermächtigung durch Rechtsverordnung übertragen. Für Fahrten auf vorherige Bestellung können Festpreise bestimmt oder Regelungen über Mindest- und Höchstpreise getroffen werden, innerhalb derer das Beförderungsentgelt vor Fahrtantritt frei zu vereinbaren ist.“ (§ 51 Abs. 1 S. 3 u. 4)

Weiter heißt es, dass Sondervereinbarungen unter genau festgelegten Voraussetzungen zulässig sind, z. b. wenn „ein bestimmter Zeitraum, eine Mindestfahrtenzahl oder ein Mindestumsatz im Monat festgelegt wird“ (Abs 2 S. 1. Alle Zitate findet man unter: PBefG – Personenbeförderungsgesetz [gesetze-im-internet.de]).

Auch die Festsetzung der Beförderungsentgelte und -bedingungen ist genauestens geregelt, und es wird auf die entsprechend zur Anwendung zu bringenden Paragraphen 14 Abs. 2 und 3 sowie § 39 Abs. 2 hingewiesen. Dies und noch einige weitere Bestimmungen findet man im hier zur Anwendung zu bringenden Paragraphen 51 des Personenbeförderungsgesetzes.

An diese Gesetze und Verordnungen ist die Landesregierung Schleswig-Holstein gebunden, und die von ihr ermächtigte Behörde, in diesem Fall die Landrätin des Kreises Pinneberg, ebenfalls.

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Was ist also der gegenwärtige Sachstand im Kreis Pinneberg? Welche Regeln und Verordnungen gelten nun? Inwieweit ist der Kreistag in die Angelegenheit einer zu erlassenden Sonderverordnung bzw. Ausnahmegenehmigung für den Taxibetrieb auf Helgoland involviert? Und die vielleicht entscheidende Frage zum Schluss: Ist Politik hier überhaupt zuständig?

Zunächst der Sachstand:

Die Landesregierung ist für die Regelung des öffentlichen Personennahverkehrs, zu dem Taxiunternehmen im Sinne des Gesetzes ausdrücklich zählen, zuständig. Sie kann aber durch Rechtsverordnung eine nachgeordnete Behörde z. B. ermächtigen, durch entsprechende Verordnungen Beförderungsentgelte für den Taxiverkehr festzusetzen. In diesem Fall hat die Landesregierung Schleswig-Holstein die Landräte/ Oberbürgermeister als untere Straßenverkehrsbehörde dazu ermächtigt.

Folgerichtig hat die Landrätin als die im Kreis Pinneberg zuständige Behörde die Beförderungsentgelte für Taxiunternehmen in der entsprechenden Kreisverordnung vom 14.08.2022 geregelt.

Dazu gehört auch die Vorschrift, die Fahrzeuge mit einem Fahrpreisanzeiger, dem sogenannten Taxameter, auszustatten um, „den Fahrgästen Schutz und Transparenz zu bieten“, so kann man es in der Mitteilung VO/FD-24.23.004-1 des Fachdienstes Straßenverkehr (FD 24) der Kreisverwaltung lesen.

Durch die Beschaffung eines Taxameters sei „die Wirtschaftlichkeit für einen Taxenbetrieb auf Helgoland aufgrund der Größe der Insel nicht gegeben“, heißt es weiter. Daher habe man „beim Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Arbeit, Technologie und Tourismus (MVATT) Ausnahmegenehmigungen zur Befreiung vom Fahrpreisanzeiger beantragt“. Jedoch hätte diese Ausnahmegenehmigung die allgemeine Kreisverordnung für Helgoland außer Kraft gesetzt.

Deshalb wurde eine neue, angepasste Kreisverordnung nötig. Diesen „Ausnahmegenehmigungen zur Befreiung vom Fahrpreisanzeiger“ hat nun das Wirtschaftsministerium (MVATT) in Kiel unter der Maßgabe zugestimmt, „dass eine eigene Kreisverordnung für die Beförderungsentgelte mit Taxen auf der Insel Helgoland erlassen wird“.

Hierzu „war im Vorwege ein gesetzlich vorgeschriebenes Anhörungsverfahren durchzuführen. An dem Anhörungsverfahren waren die Industrie- und Handelskammer (IHK), der Landesverband Taxi und Mietwagen SH, die Gemeinde Helgoland und die Eichdirektion Nord zu beteiligen“, so die Mitteilung der Kreisverwaltung.

Im Ergebnis hat die Landrätin die Kreisverordnung erlassen. Der Betreiber hat noch eine Fachkundeprüfung abzulegen bzw. zu bestehen. Dies soll noch in diesem Jahr erfolgen, heißt es in der Mitteilung.

Damit aber der Betreiber sein Unternehmen wie gewohnt weiterführen kann und bis zur „Erteilung der Ausnahmegenehmigung“, hat die Landrätin die Duldung des Taxenbetriebes auf Helgoland verfügt und die neue Verordnung ausgesetzt.

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Nach Feststellung der gesetzlichen Grundlagen müssen wir nun folgende Fragen beantworten:

Inwieweit hat Politik hier eine Mitgestaltungskompetenz? Und: Hat der Kreistag irgendwelche Befugnisse in dieser Angelegenheit? Kann er mitentscheiden oder gar der Kreisverwaltung und hier besonders der Landrätin irgendwelche Vorgaben bezüglich des Erlasses der Kreisverordnung zu den Taxenbetrieben machen?

Nun, schauen wir in die Mitteilung der Kreisverwaltung:

Eine Kreisverordnung für die Beförderungsentgelte mit Taxen wird nach § 55 LVwG von der Landrätin erlassen und dem Kreistag vorgelegt. Ein Beschluss durch den Kreistag ist nicht vorgesehen. Der Kreistag hat die neue Verordnung in seiner Sitzung am 08.11.2023 zur Kenntnis vorgelegt bekommen.

Keinerlei Entscheidungskompetenz des Kreistags und auch kein Recht, mitzuentscheiden, also. Gleichwohl hatten die Fraktionen von SPD und CDU Empfehlungen eingebracht, die sich ihrerseits lediglich in Nuancen unterschieden und die sie nun in der Ausschusssitzung beraten wollten.

Beide Anträge empfehlen die Festsetzung des Taxientgelts pro Fahrt aber unabhängig von der Wegstrecke auf 6,00 €. Benutzen mehrere Personen gleichzeitig das Taxi, soll der Preis für jede dieser Personen 3,00 € betragen.

Bei der Festsetzung der Preise für Gepäck unterscheiden sich CDU und SPD. Während die SPD empfiehlt, den Preis pro Gepäckstück auf 2,00 € festzusetzen sowie „für jede Person ein Handgepäckstück nach IATA-Maß frei“ zu halten, verzichtet die CDU in ihrem Antrag auf die Bepreisung von Gepäckstücken – jedenfalls bleiben sie gänzlich unerwähnt.

Dem gegenüber steht die von der Landrätin zum 08.11.2023 in Kraft gesetzte Verordnung (zu finden unter dem oben eingestellten Link). Dort heißt es u. a.:

§2 Beförderungsentgelte

Die Berechnung der Beförderungsentgelte erfolgt nach einem Einheitstarif. Der Grundpreis für jede Inanspruchnahme eines Taxis unabhängig von der Wegstrecke und der Personenanzahl beträgt 6,00 €.

§3 Gepäckbeförderung

Handgepäck ist unentgeltlich zu befördern. Für die Beförderung von Mehrgepäck sind 2,00 € pro Gepäckstück zu erheben.

Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang der Wortlaut im Antrag der CDU:

Die Verwaltung wird aufgefordert, die Kreisverordnung über Beförderungsentgelte für den Gelegenheitsverkehr mit Taxen auf der Insel Helgoland vom 08.11.2023 dem Vorschlag von Gemeindevertretung und Gemeindeverwaltung der Gemeinde Helgoland entsprechend anzupassen:

Zudem war dieser Beschlussvorschlag fett geschrieben.

Kommentar

In völliger Verkennung der tatsächlichen Rechtslage versuchte man von Seiten der Politik (hier die Fraktionen von CDU und SPD) mit recht nachdrücklichem Duktus auf die Entscheidungskompetenz und die Rechtsbefugnisse der Landrätin Einfluss zu nehmen. Entsprechend kleinkariert verlief auch die Diskussion in der Ausschusssitzung. Da wurde allen Ernstes über Größe und Anzahl von Handgepäckstücken sinniert, es galt zu klären, was denn das IATA-Maß bei Handgepäckstücken sei und ob ein Beauty-Koffer der Damenwelt denn nun zum Handgepäck oder zum Mehrgepäck zu rechnen sei. Außerdem musste entschieden werden, in welche der beiden Kategorien Trolleys, Rucksäcke, Handtaschen und kleine Koffer gehörten und wie viele denn pro Person erlaubt werden könnten.

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Kleine Ergänzung zum Stichwort IATA-Maß:

IATA ist die International Air Transport Association, die die Maße für Handgepäck im internationalen Flugverkehr festgelegt hat: Demnach darf Handgepäck 55 cm hoch, 40 cm breit und 20 cm tief sein, in Ausnahmefällen sind 56 x 45 x 26 cm möglich, z. B. bei Pilotenkoffern.

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Kommentar Fortsetzung

Erwachsene, gestandene Männer diskutieren über eine von der Landrätin zu erlassende Verordnung zu Entgelttarifen und erlaubte Gepäckstücke für das einzige Taxiunternehmen der kleinen Nordseeinsel Helgoland und ergehen sich in ausgedehnten Erörterungen über eine Angelegenheit, die nicht die Ihre ist.

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Wie oben ausgeführt, ist die Rechtslage eindeutig; darauf hat dann auch die anwesende Fachbereichsleiterin des Fachbereichs Bauen, Umwelt und Verkehr (FB 2), Frau Grün, hingewiesen. Um die an diesem Abend ein wenig zu Streit neigenden Abgeordneten (besonders auf Seiten der CDU-Fraktion) nicht noch mehr zu animieren, räumte sie die grundsätzliche Gesprächsbereitschaft der Kreisverwaltung ein, wies zugleich aber darauf hin, dass man sich dort streng rechtskonform verhalte, da man „an Recht und Gesetz gebunden“ sei. Außerdem betonte Frau Grün, dass nachträgliche Wünsche oder Anträge zur Taxiordnung sachlich zu begründen seien. Dies würde dann aber erneute Diskussionen im Kreistag erfordern, der ja bekanntlich erst wieder am 31. Januar 2024 zusammentritt. Letztlich aber liege die Entscheidung gemäß der entsprechenden Landesverordnung, die sie hierzu ermächtigt habe, bei der Landrätin.

Aus der CDU-Fraktion fiel zwischendurch die Bemerkung, dass die Entscheidung zum Taxameter für Helgoland sich doch schon längst erledigt habe. „Schon vor 2 Monaten hatten wir das entsprechende Signal erhalten und es hieß, wir sollten zunächst erst noch die Füße stillhalten.“ Man wisse ja, dass der Ausschuss hier nicht zuständig sei, daher habe man ja auch den Antrag gestellt. Kleine Randbemerkung: Das war der Antrag, in dem die Kreisverwaltung aufgefordert wurde, die von der CDU-Fraktion gewünschten Tarifänderungen vorzunehmen.

Erneut stellte Frau Grün die Rechtslage klar, wiederholte die Nichtzuständigkeit des Kreistags (also der Politik) und die alleinige Entscheidungskompetenz der Landrätin in dieser Sache.

Was noch fehle, sei ein Nachweis des Taxenbetreibers, unter den geänderten Bedingungen (die Durchsetzung der geltenden Verordnung im gesamten Kreis Pinneberg) keinen Tariflohn zahlen zu können. Dabei komme es nicht auf einen Wirtschaftlichkeitsnachweis der vergangenen zwanzig Jahre an, aber es müsste wenigstens ein schriftliches Dokument geben, dass über die Zahlen des Betriebes Auskunft gebe. Solange diese aber nicht vorlägen, könne der Tarifsatz nicht angehoben werden. IHK und der Landesverband für das Taxi -und Mietwagengewerbe Schleswig-Holstein e. V. könnten zwar gern ihre Eingaben darstellen, jedoch sei die Landrätin nicht daran gebunden.

Aus den Reihen der Abgeordneten wurde dann eher emotionale Argumente vorgetragen, wie jenes, dass man den Betreiber sehr gut kenne und seine Verdienste um den Transport auch der alten und gehbehinderten Einwohner der Insel würdigen wolle. Die Wirtschaftlichkeit eines Taxibetriebes auf einer Hochseeinsel könne nicht immer exakt errechnet werden, da sie den Unbilden des Wetters und den daraus resultierenden Ausfällen von Flügen und Schiffen, die sie ansteuerten, ausgesetzt sei.

Bei all dem wolle Politik helfen, die Probleme zu lösen, wenngleich sie wisse, dass letztlich die Verwaltung zuständig sei. Dennoch könne wohl nur jemand die Lage angemessen beurteilen, der auch auf Helgoland wohne oder sich doch zumindest dort genau umgesehen habe. Es folgten die Berichte derjenigen, die schon mehrmals auf Helgoland gewesen seien und derjenigen, die, wie z. B. der Ausschussvorsitzende, Mathias Schmitz (Grüne), noch gar nicht dort waren. Erstere berichteten von den Gesprächen mit dem Betreiber und davon, dass er angedeutet habe, im schlimmsten Falle „den Bettel hinschmeißen“ zu wollen. Soweit dürfe man es doch nicht kommen lassen.

Von Seiten der IHK und des Landesverbandes für das Taxi -und Mietwagengewerbe Schleswig-Holstein e. V. gab es das Signal, eventuell den Klageweg zu beschreiten. Hierüber zeigten sich Verwaltung und Politik gleichermaßen besorgt. Frau Grün gab zu bedenken, dann würde ein Richter zu entscheiden haben, der ganz bestimmt nicht auf Helgoland wohne und die örtlichen Verhältnisse erst recht nicht kenne. Das hier sei ein Präzedenzfall, daher müsse alles sorgsam bedacht werden und genau dies geschehe von Seiten der Verwaltung. Deswegen nehme die Verwaltung auch die heute gehörten Vorschläge auf und baue sie selbstverständlich in ihre Entscheidungen ein. Man werde den Kreistag zu gegebener Zeit über den Fortgang der Angelegenheit weiter informieren.

Abschließender Kommentar

Die gesamte Angelegenheit erscheint aufgeblasen und von einer Wichtigkeit, die man bei Licht betrachtet nicht erkennen kann. Der einzige Taxiunternehmer einer kleinen Hochseeinsel wird nach Jahren mit der Pinneberger Kreisbürokratie konfrontiert, die ihm sagt, er müsse ab sofort die Verordnung des Kreises für Taxiunternehmen beachten, die präzise Vorschriften hinsichtlich des Fahrtarifs, eines anzubringenden Taxameters und der Preise für Gepäckstücke enthält. Die maximal befahrbare Strecke beträgt 1000 m und die zulässige Höchstgeschwindigkeit 10 km/h. Schließlich sind auf der Insel, außer der zusätzlich vorhandenen Helgoland-Bahn keine weiteren Fahrzeuge zugelassen – nicht einmal Fahrräder (zu gefährlich bei den steilen Klippen) – und die vorhandenen Fahrzeuge (3 Taxis und die Helgoland-Bahn) fahren elektrisch.

Gesunder Menschenverstand und ein überschaubarer Markt an zu transportierenden Personen bei den gegebenen örtlichen Bedingungen sollten für den erfolgreichen Betrieb eines Fahrservices auf dieser Insel doch ausreichen. Doch offenbar weit gefehlt, das hat die absurde Diskussion über eine Stunde im Ausschuss für Klimaschutz, Umwelt, Sicherheit und Ordnung am vergangenen Donnerstag gezeigt.

Bürokratie kennt offenbar keine Grenzen – besonders dann nicht, wenn zuständige Verwaltung und kommunale Politik, die gern überall mitredet, sich in sinnlose Diskussionen und Streit über Kleinigkeiten wie die Größe von Beauty-Koffern, die als Handgepäck großzügig gestattet werden, ergehen.

Ganz erstaunt zeigt man sich, wenn solches Wiehern des Amtsschimmels genüsslich sogar vom öffentlich-rechtlichen Sender NDR in der Satiresendung extra 3 Spezial: Der reale Irrsinn aufs Korn genommen wird. Möglicherweise kann der Betreiber des Taxiunternehmens dem Sender sogar dankbar sein. Wer weiß, ob es zu der oben dargestellten Lösung sonst so ’schnell‘ gekommen wäre….

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Zum Tagesordnungspunkt Ö 6, Klimaschutz und seinen Unterpunkten hatte die FDP-Fraktion einen Prüfauftrag und einen Beschluss-Antrag zu den Veränderungen, Kosten und Zuständigkeiten des Kreises in Sachen Klimaschutz in den Liegenschaften und im Bauen (hier besonders privater Bauherren) eingereicht. Zu diesem Antrag hat die Verwaltung bereits umfassend Stellung genommen und eine entsprechende Mitteilung im ALLRIS veröffentlicht.

Die anderen Fraktionen rieten der FDP-Fraktion, besonders den Prüfauftrag zurückzuziehen, da dieser einen ziemlichen Mehraufwand in der Verwaltung verursachen würde und zudem eine erneute Befassung im Kreistag erfordere. Außerdem würden beide Anträge der FDP-Fraktion heute „sicher abgelehnt“, war sich der Abgeordnete der SPD-Fraktion, Ole Korff, sicher.

Nach einigem Hin und Her zog die FDP-Fraktion ihren Prüfauftrag zurück und stimmte mit den anderen Fraktionen für die Verweisung ihres Antrags in die Fraktionen.

Damit war der Weg frei, der Beschlussvorlage der Verwaltung zuzustimmen.

Der Klimaschutz im Kreis Pinneberg ist damit endgültig auf den Weg gebracht, und die Kommunen des Kreises, so war zu hören, zögen begeistert mit. Es gebe durchweg positive Resonanz und einige Gemeinden zeigten sich sogar ehrgeiziger als der Kreis selbst, indem sie nicht erst bis 2040 die Absenkung der Treibhausgasemissionen auf Null anstreben, sondern dieses Ziel bis 2035 erreichen wollen.

Zum Schluss stellte die FDP-Fraktion noch einmal die Frage, wieso es mit all den Maßnahmen denn solche Eile habe, „wo wir doch bis März 2024 für den Beschluss Zeit gehabt hätten“. Burghard Schalhorn (AfD-Fraktion) erinnerte an den – jetzt höchstrichterlich bescheinigt – verfassungswidrigen Haushalt der Ampel-Koalition und prognostizierte Kürzungsfolgen auch für den Kreis Pinneberg. „Hier werden Gelder verplant, die doch eher für Altenpflege und Bildung eingesetzt werden könnten“, so Schalhorn. Jedenfalls werde seine Fraktion diesem Beschluss so nicht zustimmen. Der Ausschussvorsitzende Mathias Schmitz (Grüne) erklärte, das Gesamtbudget müsse nicht ad hoc zur Verfügung stehen. Die einzelnen Maßnahmen des Integrierten Klimaschutzkonzepts (IKK) würden nach und nach umgesetzt und jeweils mit den erforderlichen Mitteln finanziert.

„Wir stehen vor zukünftigen Entwicklungen, die man sich heute noch gar nicht ausmalen kann“, so Schmitz und hatte damit die unverrückbare Denkrichtung und das Glaubensfundament, auf dem alle zukünftige Politik zu stehen hat, festgestellt.

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Unter TOP Ö 10, Verschiedenes, gab es einen unerwarteten Schlagabtausch. Burghard Schalhorn (AfD-Fraktion) beschwerte sich darüber, dass seine Fraktion die Einladung per Mail zu einer Klimaschutz-Vortragsveranstaltung nicht erhalten habe. Diese Veranstaltung hatte am Tag zuvor stattgefunden. Er wünsche nun Auskunft darüber, ob das die übliche Methode sei, „uns wieder einmal auszugrenzen“. Auf die Frage Schmitz‘, ob er denn auch im Spam-Ordner nachgeschaut habe, erwiderte Schalhorn, dies habe er längst getan – man müsse ihn in dieser Hinsicht nicht für dumm halten. Keiner seiner Kollegen habe die Einladung erhalten und es könne ja wohl nicht bei allen der Spam-Ordner schuld sein.

Die zuständige Verwaltungsangestellte teilte etwas süffisant mit, sie habe die Rundmail an den KUSO (Ausschuss für Klimaschutz, Umwelt, Sicherheit und Ordnung) versendet, sie könne sich das nicht erklären.

Schalhorn wiederholte seine Klage, dass seine Fraktion wieder einmal ausgegrenzt wurde und dass er dies nicht hinnehmen werde.

Darauf platzte dem CDU-Fraktionsmitglied, Oliver Kusber endgültig der Kragen: Es sei „eine Frechheit von einer undemokratischen Partei“, der Verwaltung vorzuwerfen, sie habe nicht ordnungsgemäß gearbeitet. „Nein, jetzt ehrlich, ich habe von diesen Manövern die Schnauze voll. Es ist ja auch nicht das erste Mal, dass die AfD Lügen über die Verwaltung verbreitet. Irgendwann ist dann auch mal Schluss damit – und da bitte ich um Verzeihung – aber das reicht jetzt, da muss man auch mal endlich sehr deutlich werden.“

Schalhorn sagte noch etwas hinterher, aber da er ja des Öfteren etwas zu undeutlich artikuliert, konnte ich es nicht verstehen.

Damit ging die Sitzung des Ausschusses für Klimaschutz, Umwelt, Sicherheit und Ordnung an diesem Donnerstag, den 23. November 2023, zu Ende.

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